Kleine Sünden

Predigt zum Thema Feigheit

von  Terminator

Gott vergibt große Sünden lieber als kleine, sagt Meister Eckhart. Augustinus muss es wissen - wahrscheinlich sind ihm alle seine Sünden noch zu Lebzeiten vergeben worden, da unter ihnen keine einzige kleine Sünde war. Was sind große Sünden? Die sieben Todsünden, natürlich. Aber zu abstrakt. Mord, Ehebruch, Verbrechen gegen sexuelle Selbstbestimmung, Versklavung, Folter, Umweltzerstörung, Herbeiführung künstlicher Hungersnöte - das sind, wird wohl jeder zustimmen, große Sünden.

Was sind kleine Sünden? Verbrechen gegen den eigenen BMI sind damit nicht gemeint. Nicht Schokolade oder ähnliches. Zu den kleinen Sündern gehört Lästern, Mobbing, Bossing, Beleidigung, methodisches Beleidigtsein, bürokratische oder busfahrerische Willkür. Sind doch Kleinigkeiten! Warum sind sie Gott zuwiderer als Betrug in der Liebe oder brutale Gewalt? Vielleicht ist Gott auch nur ein Mensch, denn für einen normalen Menschen sind große Sünden ebenfalls leichter zu vergeben als kleine.

Große Sünden passieren in der Regel aus großer Verzweiflung. Seltener ist es die pure - naturhafte (triebgesteuerte) oder willentliche (etwas tun, weil es so böse ist) - Bosheit, die einen Menschen zu großen Sünden ermutigt. Kleine Sünden passieren im Alltag, in dem ein Mensch unbehölligt sein kreatürliches Dasein fristet, wo ihm keiner mit dem Tode droht oder die Lebensgrundlage entzieht. Große Sünden haben in der Regel eine äußere Ursache, kleine Sünden eine innere.

Maximalen Schaden mit minimalem Aufwand anrichten um des Schadens willen - das ist pure Bosheit, die als bürokratische Willkür, Bösgläubigkeit in einer Talkshow, als Nichttat oder Kleinsttat ohne Risiko für den Täter und mit größtmöglichem Schaden für das Opfer auftritt. Wer eine kleine Sünde begeht, riskiert nichts, fürchtet um nichts, verteidigt sich nicht, sondern tut es aus purer Lust an der Bosheit, aus Schadenfreude. Geschützt durch Toleranzzwang und Gesetzeslücken machen kleine Sünden das menschliche Miteinander zur Hölle. Einen Menschen muss dies allein schon zutiefst anwidern, aber Gott hat noch andere Gründe, kleine Sünden mehr zu hassen als große.

Wer groß sündigt, weiß unmittelbar um die Schwere seiner Schuld. Eine große Sünde wird unter Qualen dem Gewissen abgerungen und bleibt immer im Bewusstsein. Eine kleine Sünde ist nach fünf Minuten vergessen, ein gesagtes oder nicht gesagtes Wort, eine geöffnete oder verschlossene Tür, eine falsche oder zurückgehaltene Information - was ist schon dabei? Dabei ist nichts weniger als der seelische Offenbarungseid, das Eingeständnis, nicht im Frieden leben zu wollen, Neid und Missgunst als permanenter Zustand, feiges Kriechertum und krankhafte Schadensucht.

Nicht dass etwas missverstanden wird: schlecht gelaunt sein, Unhöflichkeit, Sarkasmus, Nichtübereinstimmung mit der Meinung eines Gutmenschen zählen nicht zu diesen hässlichen kleinen Sünden, sie sind dem Soundnichtanderssein des menschlichen Miteinanders geschuldet. Wenn du jemanden z.B. einen Rassisten nennst, vergiss es, zwei oder ein oder ein halbes Vaterunser zu beten, belästige Gott nicht damit, - wenn du dies aber allein um der Provokation willen tust, weil du dir ausgerechnet hast, dass in der gegebenen Situation der Ausraster deines Kontrahenten sein Leben ruinieren würde, so kannst du dich schon mal auf Hitze, Trockenheit und Schwefel einstellen.

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