Der Rabbi und sein "Oben"

Tragödie zum Thema Gott

von  HerzDenker

Rabbi Samuel, der im Jahre 1350 vor Christi lebte, führte regelmäßig Gespräche mit Gott. Man nannte ihn deshalb Ober-Rabbi, weil er sozusagen eine Oberleitung hatte, die ihn in ständiger Verbindung zu „oben“ hielt. Eines Tages hatte er das Gefühl, jetzt sei sie dran, die Frage aller Fragen. Sie lautete: „Woran glaubst Du, Vater? Welcher der verschiedenen Denkrichtungen stehst Du eigentlich nahe“?“  Er antwortete: „Ich glaube kaum, dass man das Richtung nennt. Ich glaube an die Liebe. Komme was wolle, wie auch immer jemand sich verhält, ich liebe ihn/sie.“ In nachdenklicher Stimmung beschloss der Rabbi das Gespräch, nicht, ohne der großen schöpferischen Urkraft in Geistform einen schönen Abend zu wünschen.

  In den nächsten Jahren baute er seine Gemeinde größer und größer aus und schickte seine besten Leute auf Missionsreise, damit sie diese „Religion“ verkünden mögen. Er verstarb und verblieb recht lange in der Anderswelt. Im Jahre 1960 inkarnierte er dann doch mal wieder und zwar in Jerusalem. Er erinnerte sich über Rückführungen an sein Leben als Frührabbi damals, auch an seinen Ober-Status. Vertrauten erzählt er, was ihm damals von höchster Stelle mitgeteilt wurde. Sein Intimus in der jüdischen Gemeinde jetzt dachte über das Vorleben seines besten Freundes nach und meinte: „Ja, deine Ausgesandten haben das in alle vier Himmelsrichtungen korrekt weitererzählt. Das Dumme ist nur, dass den Menschen das wohl zu einfach erschien.  Sie hatten das Bedürfnis, Zusatzwahrheiten, die das Wort Gottes sozusagen ergänzen und „besser erklären“ sollten, hinzuzufügen. Wichtig auch, dass sie daraus ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln wollten, eben „anders“ zu sein als die Gruppen fünfhundert Kilometer weg. Da wird ja ohnehin befremdlich gelebt, gegessen, geliebt….anders eben, fremdartig…gefährlich vielleicht sogar.

Und so galt es für den besten Freund des Rabbi und ihn selbst festzustellen, dass es heute fünf große Religionen mit jeweils etwa fünfzig Untergruppen gibt, die sich zum Teil bis aufs Blut bekämpfen. Heute findet das Töten eher digital statt, als Rufmord oder als Einstimmung auf sog. Ehrenmorde zum Beispiel. Und so wurde der Rabbi erneut nachdenklich und entschloss sich, den Stein nach Sisyphos-Art erneut den Berg hochzurollen versuchen. Auf ihm stand mit großen Lettern: Für die Liebe! (Aber wirklich n u r für sie!)



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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (15.01.22, 07:02)
Interessante Satire, besonders die Idee, einen Ehrenmord digital zu verüben, empfinde ich als bemerkenswert und natürlich würde mich auch interessieren, was Sisiphos so alles mit seiner Tonne anzustellen vermochte. 👋😂

Ciao, Frank

 HerzDenker meinte dazu am 15.01.22 um 09:01:
Ja, Frank, eigentlich unlogisch, ihn in einem Atemzug mit dem Rufmord zu nennen. Ich werde es ändern und klarstellen, dass es die Vorarbeiten für einen Ehrenmord sein dürften, die heute gerne in den Unsozialen Netzwerken laufen.

 Dieter_Rotmund (15.01.22, 09:58)
"den Stein des Diogenes erneut den Berg hochzurollen" ???

 HerzDenker antwortete darauf am 15.01.22 um 10:25:
Alles klar, gerade geändert! Danke!

 EkkehartMittelberg (15.01.22, 16:39)
Das gefällt mir. Manche Botschaften erscheinen als zu einfach, um sich in Reflexionen flüchten zu können. Sie fordern einfach zum Handeln auf.
LG
Ekki

 HerzDenker schrieb daraufhin am 15.01.22 um 16:59:
Danke, werter Ekki ! So sehe ich es auch - mit den großen, einfachen Wahrheiten.
- Dein Buch wurde mir zwar schon für Donnerstag angekündigt, aber es ist leider noch nicht da.
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