Dampfwalzen

Bild

von  Fridolin

Dieser Text ist Teil der Serie  Politisches

In meiner Kindheit habe ich oft riesige eiserne Ungetüme gesehen, mit breiten eisernen Rädern, sie bewegten sich langsam, meist eingerahmt von Dampfschwaden und großer Hitze. Wenn ich heute in die Zeitungen oder auf den Bildschirm meines TV-Geräts schaue, kommen die Gefühle wieder, die ich damals hatte: Faszination und Beklemmung.

Aber das Bild trügt: Die Dampfwalzen damals haben Straßen befahrbar gemacht. Die von heute tun das vielleicht auch, aber ich fürchte, diese Straßen enden im Nirgendwo und machen die Welt weniger begehbar als je zuvor.

Die Straße der Sanktionen ist breit, viele Spielmannszüge haben Platz, überhaupt kann man gut marschieren, manche tanzen sogar, aber die Musik hat dafür den falschen Rhythmus, es ist Marschmusik, sie drängt vorwärts. Die Pfeifen verformen sich zu Gewehren, die Trompeten zu Geschützen, die Trommeln explodieren, und da, wo eben noch Straße war, ist plötzlich ein Loch.


Einer wird gewinnen. Die Guten werden gewinnen – nehmen wir es einfach mal an. Welches Maß an Zerstörung wird es gekostet haben? Darf man das fragen? Haben wir nicht auch Atomkraftwerke gebaut, ohne zu fragen, was die Entsorgung kosten wird? Ob sie überhaupt möglich ist? Die erdbebensichere Lagerung – für wenigstens 1000 Jahre?

Es scheint nicht wichtig zu sein, ob Russland dann ruiniert ist. Hauptsache, er gewinnt nicht. Hauptsache, der Sieg ist unser. Atomwaffen wird er schon nicht einsetzen, so wahnsinnig ist er dann doch nicht, oder? Wenn alles gut geht, wie werden wir wohl mit den Flüchtlingen aus dem ruinierten Russland umgehen? Wie auch immer, wir werden uns damit trösten, dass er an allem schuld war. Er ganz allein, uns blieb ja - wieder einmal - keine Wahl. Der Sieger hat immer recht, wir müssen also gewinnen, egal wie.


Wache ich morgen auf und stelle fest, das alles ist nur ein Albtraum?



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Terminator (07.03.22, 06:24)
Beide Supermächte haben derzeit unzurechnungsfähige Präsidenten. Die Macht des amerikanischen Senil-Breschnew ist aber begrenzt, der Petersburger Idi Amin hat innerhalb weniger Tage aus einer im Vergleich zu ihren westlichen Partnern noch respektablen Diebe-und-Verbrecher-Oligarchie ein Nazirussland gemacht, und selbst seine kriminellen Mitmilliardäre können ihn nicht mehr zur Vernunft bringen. Putin ist nicht Russland, aber die ganze Staatspropaganda der letzten Jahre hat einem Teil der Bevölkerung eingeredet: Russland=Putin. Die Mehrheit ist nicht dieser Meinung, und artikuliert dies in Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, aber die Ergebnisse werden immer dreister gefälscht. Es muss ein Ende mit Schrecken geben, ein Schrecken ohne Ende wäre schlimmer. Putin lässt, wie einst Qin Shi Huangdi, für sich Lebenselixiere herstellen, im 21. Jahrhundert halt mit wissenschaftlicher Methode. Ein 100-jähriger Putin, immer noch im Amt, das ist leider nicht unmöglich. Das, was aus ihm geworden ist, kann Russland, die Ukraine und den Rest der Menschheit noch viele Jahre in Angst und Schrecken versetzen. Aber schon jeder weitere Tag mit ihm als Diktator Russisch-Mordors ist ein schlechter Tag für die Welt.
Clara (37) meinte dazu am 07.03.22 um 06:54:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 eiskimo antwortete darauf am 07.03.22 um 08:07:
Ich würde auch lieber wohlig weiterschlafen und träumen, man könnte sich die Welt schöntanzen.
Clara (37) schrieb daraufhin am 07.03.22 um 09:44:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund (07.03.22, 14:01)
Es scheint nicht wichtig zu sein, ob Russland dann ruiniert ist, Hauptsache, er gewinnt nicht
->
Es scheint nicht wichtig zu sein, ob Russland dann ruiniert ist, Hauptsache, es gewinnt nicht

 Fridolin äußerte darauf am 07.03.22 um 16:01:
Scholz sagte "Er wird nicht gewinnen"

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 07.03.22 um 16:53:
Es geht mir hier um eine korrekte Grammatik, nicht um Bubi Scholz.

 FrankReich meinte dazu am 07.03.22 um 21:38:
Stimmt, Scholz sagte: "Putin wird nicht gewinnen." und selbst wenn er auch nicht explizit ausgewiesen ist, lässt sich dieser Zusammenhang dennoch aus obigem Text erschließen, ein Stilmittel übrigens, das den Leser zwingt, mitzudenken. 🤭

Ciao, Frank

 Fridolin meinte dazu am 08.03.22 um 20:33:
vielen Dank, lieber Frank. Besser kann ich es auch nicht ausdrücken.
Davon abgesehen wüsste ich auch nicht. was grammatikalisch falsch sein sollte, wenn das Subjekt in einem Nebensatz wechselt.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.03.22 um 09:23:
"Aus dem Zusammenhang geschlossen" ist nur geraten. Gutes, klares, verständliches Deutsch ist was anderes. Die Stelle ist und bleibt ein Stolperstein.

 FrankReich meinte dazu am 09.03.22 um 22:05:
Eine Extrapolation ist zwar nicht abgesichert, hat aber auch nichts mit Raten am Hut, denn sie richtet sich nach logischen Aspekten, in diesem Fall ist es glasklar, dass sich "Hauptsache, er gewinnt nicht." auf Putin bezieht, vgl. dazu auch die folgenden Sätze und wie gesagt, das was Du als Stolperstein verurteilst, ist ein Stilmittel.

Ciao, Frank

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 10.03.22 um 09:51:
Ja, aber ein sehr schlecht gewähltes Stilmittel.

 Jedermann (07.03.22, 14:22)
interessante Reflexion!

 Willibald (10.03.22, 12:30)
Jou, ich bin auch gestolpert. Und dann wurde Putin beim zweiten und dritten Lesen interpoliert. Ein völlig legitimes, rhetorisches Mittel.
Vielleicht wäre zu überlegen, ob man eine kleine Dechiffrierungshilfe gibt, indem man den Satzverbund auflöst und einen Zeilenumbruch setzt.

Es scheint nicht wichtig zu sein, ob Russland dann ruiniert ist, Hauptsache, er gewinnt nicht. Hauptsache, der Sieg ist unser. Atomwaffen wird er schon nicht einsetzen, so wahnsinnig ist er dann doch nicht, oder?

Es scheint nicht wichtig zu sein, ob Russland dann ruiniert ist. 
Hauptsache, er gewinnt nicht. Hauptsache, der Sieg ist unser. 
Atomwaffen wird er schon nicht einsetzen, so wahnsinnig ist er dann doch nicht, oder?

greetse
ww

Kommentar geändert am 10.03.2022 um 15:04 Uhr

 Fridolin meinte dazu am 10.03.22 um 22:59:
Das derzeitige Versagen der Diplomatie hat sehr viel mit der Personalisierung auf Putin zu tun. Es ist natürlich schwer, mit einem Menschen zu verhandeln, den ich zuvor öffentlich gebrandmarkt und z.B. als "wahnsinnig"" bezeichnet habe. Vielleicht noch schwerer ist es, mit jemandem zu verhandeln, der mich zuvor vor aller Welt gebrandmarkt hat.
Das "Er" ist für mich deshalb unverzichtbar; über eine Dechiffrierungshilfe habe ich allerdings nachgedacht und eine in hoffentlich akzeptabler Form eingebaut.

 Willibald meinte dazu am 11.03.22 um 11:18:
Grüß Dich, Fridolin,

hier ein relativ kühler und umso überzeugenderer Kommentar im Spiegel eines wirklich guten Juristen:

 https://www.spiegel.de/panorama/ukraine-krieg-gas-und-oel-aus-russland-olaf-scholz-hat-recht-kolumne-a-bf8a5981-a91d-4dda-a537-af65146ee8a8


Antwort geändert am 11.03.2022 um 11:20 Uhr

 Fridolin meinte dazu am 11.03.22 um 19:45:
ein sehr empfehlenswerter link, da bin ich mit Dir einer Meinung. Dem Mann wünscht man höhere Aufgaben, obwohl er die ja schon hatte. Ich grüble gerade, ob man Waffenlieferungen nach Ukr. nicht im Grunde als Sterbehilfe klassifizieren müsste.
Neuerdings muss man nun offenbar auch noch davon ausgehen, dass es amerikanische Labors zur Erforschung von Biowaffen in Grenznähe zu Russland gibt.
 https://www.nachdenkseiten.de/?p=81851#more-81851

Antwort geändert am 11.03.2022 um 19:49 Uhr
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram