V. Die Gemeinen

Prolog zum Thema Fehler

von  Terminator

Apollinisch und dionysisch sind die Vortrefflichen, chthonisch und tellurisch sind die Gemeinen. Apollinisch ist der Geist, dionysisch ist das Leben. Das ist keineswegs ein kontradiktorischer Gegensatz, denn der Geist ist lebendig, und das Leben geistig.


Wo das Leben das Geistige verlässt, in die bloße Natur absteigt, wird der vortreffliche Dionysos durch seinen gemeinen Doppelgänger, den titanischen Adonis, ersetzt. Die Werte des Vortrefflichen (Ehre, Würde, Schönheit) werden durch selbstbezügliche Interessen ausgetauscht. Die Vortrefflichen sind selbsttranszendent, die Gemeinen sind selbstimmanent.


Durch Selbsttranszendenz gewinnen die Vortrefflichen Leichtigkeit und Ironie. Der vortreffliche buddhistische Mönch hasst das Leben nicht: seine Lebensverneinung besteht darin, dass er das Leben leicht, nicht ernst, ironisch nimmt. Jesus-Adonis schreit: "Vater, warum hast du mich verlassen!?" Jesus-Dionysos spricht: "Es ist vollbracht" (beide wohlgemerkt ans Kreuz genagelt unter starken Schmerzen).


Der Vortreffliche lebt seine Werte und Ideale, d. h. er lebt, wie er will. Da seine Werte mit ihm untrennbar verbunden sind, hat er Wert. Da die Wertbindung des Gemeinen unverbindlich und opportunistisch ist, ist er wertlos.


Der Gemeine lebt im Verbrechen, wie er kann, und im Gesetz, wie er muss. Er lebt nie, wie er soll: die genuin moralischen Handlungsmaximen schiebt er nur vor. Der Vortreffliche hat Gründe für seine Taten, der Gemeine hat Ausreden.


Das Sollen ist eine Selbstprüfung des Vortrefflichen, der sich fragt, ob er seinem Ideal genügt. Für den Gemeinen soll immer der Andere: der Reiche soll teilen, der Schöne soll nicht so glänzen, der Glückliche nicht so strahlen; Jesus soll geben (Glück und Gesundheit z. B.), Maria soll nehmen (den Schmerz und die Verzweiflung), jeder soll, jeder ist dem Gemeinen etwas schuldig. Schließlich hat man sich ja ohne Widerrede hinten in der Reihe angestellt, und gewartet, bis man mit all dem "dran" ist, wofür die, die es schon haben, entweder Glück und gutes Karma oder aber Mut und Geschick gebrauchen mussten.


Der Missratene ist um die Frauen von Leonardo DiCaprio betrogen worden, denn Gott hätte doch auch ihn einen Leonardo DiCaprio machen können.


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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (12.06.23, 19:06)
alle leben seinsvergessen
nur noch von sich selbst besessen.

 harzgebirgler meinte dazu am 21.06.23 um 08:09:
https://de.wikipedia.org/wiki/Seinsvergessenheit
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