Travestie (2. Fassung von "Vor dem Käfig")

Text

von  Cathleen

Travestie
(vorläufige Fassung)

Du lächelst auf dem Foto. Bloß die Augen
schaun den Betrachter still und traurig an.
Du wirkst wie jemand, der an einer Grenze
nun keinen Schritt mehr vorwärts machen kann.

Du hast als Held nach einem Stern gegriffen,
von dem du annahmst, er wär längst schon dein.
Da hat dein Zweifel seine Axt geschliffen,
damit du merkst: So frech darfst du nicht sein!

Doch nach dem Stern zu greifen, hieß zu leben;
er war dein Schicksal und kein Zufallsfund.
Dein Griff nach ihm war keineswegs daneben.
Sogar der Spott hielt staunend seinen Mund.

Trotz Ovationen gibst du dich verloren,
fühlst dich gefesselt im Paillettenkleid? –
Weil du auf High Heels stöckelst wie geboren,
heißt das doch nicht, dies sei die Wirklichkeit!

Dein Publikum, es kniete vor dir nieder!
Warum spielt deine Kraft dir nun den Streich?
Du findest dich in alledem nicht wieder? –
Die Bühne ist kein Tor zum Himmelreich!

Du lächelst auf dem Foto, bloß die Augen
schaun den Betrachter still und traurig an.
Theater hat’s geschafft, dich auszulaugen.
Obwohl du’s brauchst, glaubst du nicht mehr daran.



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