Der Bettler

Szene zum Thema Armut

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  BEGEGNUNGEN (Kurze Prosa)

Er sah alles nur noch in Grau bis hin zu Tiefschwarz, doch es gelang ihm in den letzten Wochen noch notdürftig seine Ruinen abzustützen. Die Zeit verschwand, wie auch das wenige Restgeld aus seiner Hosentasche. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich an die Treppe zur U-Bahnstation nieder zu hocken, ein leidendes Gesicht aufzusetzen, einen Hut vor sich zu stellen und die Passanten durchdringend anzusehen. Ab und an warf jemand eine kleine Münze hinein.

Am Samstag blieb eine ältere Frau vor ihm stehen und sprach ihn an. Er tat so als würde er versuchen die ihm fremd erscheinende Sprache zu verstehen. Doch deren Wörterbuch hatte er nie gelesen. Ihm kam zwar manch Begriff aus seinem früheren Leben bekannt vor, doch kleine Momente eines Verstehens fügten sich nicht zu einem wirklichen Begreifen zusammen.

Die Frau gab es nach einer Weile auf, lächelte ihm zu und legte einen Zehn-Euro-Schein vorsichtig in den Hut. Er lauschte ihren Trippelschritten hinterher und freute sich, dass ihm heute etwas Gutes geschah.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Rosalinde (15.10.23, 11:05)
Hallo Uwesch,

eine Beobachtung? Von weitem, um dem Blick des Mannes nicht zu begegnen? Tja, das Verständnis der Leute aus der veritablen Mittelschicht hat eben seine Grenzen. Wobei die Armen, die nicht betteln, kein Thema für dich wären, nicht wahr?

 uwesch meinte dazu am 15.10.23 um 11:41:
Nee, hier in Waldkirch begegne ich einem immer präsenten Bettler, der im Umfeld des Markt-Zentrums eine Drehorgel bedient. Für ihn ist es wichtig eine Beschäftigung zu haben und dabei etwaige Spenden dafür zu bekommen. Und natürlich tauschen wir Blicke aus und nicken uns freundlich zu.
Deine Unterstellung weise ich zurück. Die Einkommens- und Vermögenssituation ist in meinen Augen nicht o.K. und kann im Wesentlichen nur politisch angegangen werden - mit den Gewerkschaften den Parteien und im persönlichen Umfeld. Da war ich sehr lange immer aktiv.
Deine Unterstellungen weise ich zurück. Wie kommst Du darauf - schau lieber vorher mal in den Spiegel.
kipper (34) antwortete darauf am 15.10.23 um 12:28:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 uwesch schrieb daraufhin am 15.10.23 um 14:41:
Na ja, das kann im Einzelfall so sein, dass die Musik im Mittelpunkt steht ohne dass Not ein  Motiv ist. Aber bei täglichem Tun ist es wohl eher die Not. Eine Sammelbüchse mit Münzen steht jedenfalls auf dem Instrument unseres ortsansässigen Spielers.
Ich werde den Drehorgelspieler mal ansprechen und das mit einer großzügigen Spende abrunden.

 harzgebirgler (15.10.23, 13:08)
"Feinfühligkeit beim Almosengeben ist die Anmut des Wohltuns." (Sully Prudhomme, der 1. Literaturnobelpreisträger) :) LG vom Harzer

 uwesch äußerte darauf am 15.10.23 um 14:29:
.. :)   So ist es. Danke dir auch für Deine Empfehlungen. LG Uwe

Antwort geändert am 15.10.2023 um 14:42 Uhr
kipper (34) ergänzte dazu am 15.10.23 um 15:15:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 lugarex (15.10.23, 18:14)
Ich spiele oft mit dem Gedanken mitzumachen. Sitze stundenlang auf meinem Rollator und warte. (Ehefrau, Töchter, Enkel, Godot u.ä.) Die Zeit verfliesst und ich hätte doch besser den Hut, den Korb, die Tute oder den Papierbecher neben mir platziert. Schade um die nicht genutzte Zeit. Andererseits habe ich nichts zu bieten, nicht einmal einen Hund habe ich vorzuweisen. Wo dann einen gedrillten Affen oder einen pensionierten SKIPPER! Wenn ich noch könnte, könnte ich Strassenmaler spielen - aber die zeichnende Hand ist gelähmt...Mit links die seriöse Arbeit - das widerspricht meiner moralischen Einstellung...

 uwesch meinte dazu am 15.10.23 um 19:42:
Oh je, da wäre ich nicht drauf gekommen, dass es Dir so schlecht geht. Kopf hoch - das Leben geht weiter bis es dann endlich irgendwann endet.
So ist die Welt. Kopf hoch und LG Uwe

P.S.: Dank auch für Deine Empfehlungen  :)

Antwort geändert am 15.10.2023 um 20:45 Uhr
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram