Bedrohlich dunkel!

Tagebuch zum Thema Angst

von  tastifix

Hoffentlich nie wieder...



Ich kann Ihnen das, was ich Ihnen erzählen möchte, nur schildern, wenn ich gaanz weit zurückschaue. Keine Bange, die Steinzeit schenke ich mir wie auch ein paar darauf folgende winzigkurze Jahrtausende auch. Mich präzise auszudrücken fällt mir zwar verflixt schwer, aber Ihnen zuliebe starte ich jetzt ´mal einen schüchternen Versuch.


Unsere Zeitreise befördert uns um nur um lächerliche zwanzig Jahre zurück.(Na, geht doch!!). Meine beiden ältesten Töchter waren noch Kleinkinder.

Wir besuchten gute Freunde, die ich durch den Papa meiner Kinder kennengelernt hatte und mittlerweile nach mehreren Jahren des Zusammenseins sehr schätzte. Nachmittags zu Kaffee und Kuchen trudelten wir dort ein, saßen im Garten und hatten viel Spass mit den Kindern. Abends wurde warm gegessen. Gisela hatte toll gekocht. Sogar unserem Nachwuchs schmeckte es, der normalerweise nur ein Gericht kannte: Pommes mit Mayonnaise.

Nach dem Mahl beförderten wir die lieben Kleinen ins Bett. Das lief erstaunlich ruhig und ohne den üblichen Protest ab. Sie durften ja in Tante Giselas und Onkel Ollis Koje nächtigen. Bald war alles still. Wir verzogen uns aufatmend ins Wohnzimmer. Jetzt käme der gemütliche Teil des Abends.

Onkel Olli öffnete eine Flasche Wein. Wir redeten und redeten und genossen den guten Tropfen. Wieder und wieder, was erheblich zur dann wesentlich entkrampften Stimmung beitrug. Ob es den Anderen genauso erging, wage ich heute zu bezweifeln. Aber bei mir war`s bereits nach vier Schlucken soweit: Ich fühlte mich so wohl in meiner Haut, immer wohler und schliesslich sauwohl. Die Alltagssorgen hatte ich längst vergessen, strolchte gedanklich durch den sechsten Himmel. Was war das Leben doch schön mit so netten Freunden an meiner Seite!

Ich witzelte herum und bekam einen Lachanfall nach dem anderen. Es war ja alles so lustig, selbst das, was alles andere als lustig war. Doch da noch Unterschiede zu machen, war mir geistig inzwischen verwehrt. Meinen Schwips zu verbergen, allerdings auch.

Trotzdem wollte ich mich ja anständig benehmen und mich auch gescheit an der Unterhaltung beteiligen. Vorsichtshalber reduzierte ich aber meine Wortmeldungen auf den Steno - Stil: Ja, nein, ach wirklich? Zwischendurch versicherte ich Gisela, die neben mir sass und sich eins grinste, immer wieder, ich wäre noch total nüchtern, was aber sie und der Rest der Mannschaft als untrügliches Zeichen dafür werten konnten und auch taten, dass ich, was geistreiche Unterhaltung beträfe, wohl auf die intellektuelle Ersatzbank gehörte.

So ging das eine ganze Zeit. Mittlerweile zierte mein Gesicht ein recht dümmliches Grinsen, gegen das ich total machtlos war. Ich bog mich gerade vor Lachen wegen Ullis kaputten Regenschirmes, der ihn dann doch tatsächlich hatte tropfnass werden lassen, als mir plötzlich das Gewieher im Halse steckenblieb.

Auf einen Schlag wurde ich hellwach, kehrte meine geistige Regsamkeit zurück und das dämliche Grisen verschwand spurlos aus meinem Gesicht. Ich hatte den Fehler begangen, die tolle Schrankwand nochmals zu bewundern, ganz langsam so von oben bis unten und auch kreuz und quer. Bei "quer" passierte es dann:

Da entdeckte ich etwas, was farblich und auch so einfach nicht dahin gehörte, was mir als Stilbruch sondergleichen dreist ins Auge stach. Ich riss dasselbige mit Mühe noch ein wenig weiter auf, um mir Klarheit darüber zu verschaffen, ob ich einer suffbedingten Einbildung erlegen wäre.

Leider erwies sich das, was ich sah, als grauenhafte Tasache. Wieso aber blieben die Anderen so gelassen, weshalb war nicht Gisela schon entsetzt aufgesprungen und aus dem Raume geflitzt? Warum sassen unsere beiden Herren Kavaliere nach wie vor wie festgewachsen in ihren Sesseln, anstatt schnellstens Rotekreuzsoldat bzw. würdiges Mitglied der Heilsarmee zu spielen - immer für den Nächsten zur Stelle? Nichts von dem geschah. Ich fasste es nicht!

Sahen sie denn nicht dieses furchterregende Etwas, dieses riesige Ding, dass sich dann auch noch frech in Bewegung setzte, sich doch tatsächlich auf den Weg in die Senkrechte machte? Zudem sich in finsterem Schwarz präsentierte??

Das Horrorgeschöpf, dass sich leider sogar noch hätte zuschreiben können, mir zu urplötzlicher Nüchternheit verholfen zu haben, war ganz eindeutig eine dicke, ekelige, fette schwarze Spinne mit noch eckligeren, dicken fetten acht Beinen dran. Das Tier war mindestens so groß wie mein halber Handteller. Langsam, ganz behäbig tastete es sich an der glatten Wand Bein für Bein nach unten, ohne etwa abzurutschen, in Richtung Boden.

Gisela und Ulli und auch der Papa meiner Kinder quasselten weiter, als ob nichts geschehen wäre. Ich wollte mir keine Blöße geben und tat ebenso, hielt das aber nicht lange durch.

"Gisela!", bibberte ich ihr etwas vor. " Du, dahaah!" "Ach, soo!", meinte diese. "Die ist da gut aufgehoben. Die tut dir nichts!"
Mir kam das alles langsam spanisch vor. Gisela sass da und schmunzelte. Die beiden Männer feixten. Was war hier los??

Ich schwitzte mich inzwischen halbtot vor Angst. Als dann das Spinnchen sein erstes Bein munter auf dem Teppich aufsetzte, war es um meine Tapferkeit geschehen. "Nun tut doch ´mal endlich was!", meckerte ich unsere Kavaliere an, schlinste verzweifelt zu Gisela, sprang auf und rannte aus dem Zimmer.

Im Badezimmer klatschte ich mir erst einmal  eiskaltes Wassers ins Gesicht. Das tat gut und beruhigte.

Da ging die Türe auf und Gisela trat ein:
"Mensch, Gaby, das tut mir so leid. "
"Ich weiss ja, wie dumm meine Spinnenangst ist, aber...!", stotterte ich.

"Komm bitte mit ins Wohnzimmer, Gaby. Wir müssen dir etwas gestehen!", forderte sie mich auf. Dort saßen mit verlegenem Gesicht unsere beiden Männer und drucksten herum.

"Gaby, hast du das Tierchen denn ´mal genauer betrachtet?", hub Ulli an.
"Ich...", wollte ich antworten, kriegte aber keine Ton ´raus. Ich fühlte mich plötzlich hundeelend.

Nein, es geht micht mehr. Wir müssen es ihr endlich sagen!", meinte Gisela.
"Wir wollten uns nur einen kleinen Jux erlauben. Die Spinne, Gaby, ist keine echte. Sie ist aus Gummil!"

Diese Eröffnung war zuviel für meine Nerven.
Mir wurde schwarz vor Augen.

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