fernweh.freundschaftsbrief

Skizze zum Thema Regen

von  Iv0ry

Mein liebstes Herz,

war es erst gestern, als wir Hand in Hand durch die Apfelbaumreihen hinter dem Haus Deiner Eltern spazierten, Kirschen an den Ohren und jenem vertrauten Schweigen, das in das Kleinmädchenlachen ausbrechen musste, aus dem wir nie herauswachsen wollten?

Nun bin ich auf einer Reise, innerlich und äusserlich und habe Dir versprochen meine Schritte zu dokumentieren, habe Dich wie immer eingepackt in mein Herz und den alten Reisekoffer den wir einst in London auf einem Flohmarkt erstanden. Jeden Morgen begrüsst er mich mit einem: weißt Du noch.

Weißt Du noch Liebes, wie wir beschlossen haben uns einst Briefe zu schreiben wie die Großen? Wie die Liebenden, die Philosophen. Du wolltest immer meine Muse sein, meine black lady sein - und bist es wohl auch immer gewesen. Nun bleiben uns nur die Briefe, die sich anfühlen wie Samt unter den Händen, wie Schmirgelpapier im Herzen, wie der Stacheldrahtzaun, der alles ausschliesst, was nicht unsres ist.

Worüber wollen wir philosophieren während ich die nächtlichen Strassen Newcastles durchwandere? Welche Gedanken verfolgen uns wie das müde Morgengrauen durch unsre Streifzüge?

Die Sprache ist unzugänglich, verglichen mit deinen Augen und der sanften Sprache Deiner Hände. Ich sehe Dich gerade beim Brotbacken. Wir modernen Frauen - Luxusweiber - wie Du uns gerne nennst - manchmal müssen wir archaisch sein, müssen Teige kneten und unsre Hände das Leben spüren lassen. Da reicht es nicht fremde Haut zu spüren, da muss etwas entstehen.

Dekadent, wie ich gerne bin, wenn ich über alte Märkte und Strände stolpere, habe ich Dir ein Buch anbeigelegt.  Ein altes französischen Schokoladenkochbuch. Schick mir Pralinen in die Ferne, mit dem lavendelblau Deiner Augen in kandierter Form, mit der Schwärze Deiner Haare in flüssigem Caramel.

Genieß die Süsse der Gedanken, während ich mich hinfortbegebe um neue Tinte zu kaufen.

Natürlich habe ich einen Kugelschreiber in der Hand, aber ebenso wie Du Emails verabscheust, stösst mich das runde Fliessen auf dem Papier ab, nur meine flaschengrüne Tinte aus dem kleinen Schreibwarengeschäft an der Ecke, die der kleine alte Mann mir frisch ansetzt, vermischt sich mit dem Papier zu jener Mischung, die sich wie eine Umarmung davonzerrt.

Was ist aus unsrem Träumen geworden mein Liebes? Wo ist der Roman, den Du mir vor Jahren mit auf den Weg geben wolltest? Schreibst Du während ich Dir fern bin?

Ich brauchte diesen Abstand, ich weiß dass Du das nicht ganz verstehen willst in Deinem Sturmherzen, doch jeder Schritt klang nach seinem Namen, jeder Spiegel zeigte ein schlafendes Mädchen, dass nur durch ein Wort zu wecken wäre, dessen Namen ich nicht kannte.

Selbst der Milchschaum fiel zusammen während ich die Stunden zählte, bis er wiederkommen würde. Ich malte nur noch weinende Puppengesichter und faltete aus jedem Zettel ein Schiff.



Hier nun sitze ich an einem Leuchtturm und freue mich darauf nach Hause zurückzukehren - am Ende einer Reise, die noch vieles für uns bereithalten wird.

Nun jedoch Liebes, ohne Philosophie und Sonnenschein.

Behüte dich, vergiß das kleine blaukarrierte Notizbuch nicht.

Grüße aus dem Kirschenteich sendet Dir in Hoffnung auf einen baldigen Blick auf deine Elfenschrift



Deine Dir Verbundene

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Kommentare zu diesem Text


 Feuervogel (07.08.08)
...einfach nur schöööön...LG ELA
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