Faszination Kartoffel

Erzählung zum Thema Kinder/ Kindheit

von  sensibelchen13

Kein Gemüse hat mich je so fasziniert als die Kartoffel. Und das kam so:

Als kleines Mädchen wurde ich zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder, auf einen Bauernhof evakuiert. Es war Krieg. Ich verstand damals das Wort noch nicht. Durch diesen Krieg also kamen wir drei auf einen Bauernhof, der in der Nähe von Parsberg in der Oberpfalz, also in Bayern lag.
Es war ein Einödhof. Für uns Kinder ein toller Spielplatz.
Auf dem Bauernhof gab es viel zu tun, so dass alle mithelfen mussten. Auch ich.
Es war an einem Tag im zeitigen Frühjahr, als man mir sagte, dass ich beim Kartoffelschneiden helfen solle. Schneiden war ja nicht schwer, ich sollte die Kartoffeln so schneiden, dass an beiden Hälften Augen seien.

Augen?  Ich aber sah keine Augen. Ich drehte die Kartoffel in meinen kleinen Händen hin und her und langsam begann ich zu weinen. Meine Kartoffeln hatten nun mal keine Augen.
Die Anderen sahen die Augen ihrer Kartoffeln und schnitten sie in zwei Hälften. Nur ich sah keine Augen. Als ich laut losheulte, zeigte mir die Bäuerin, was man bei einer Kartoffel unter Augen versteht.
Jetzt war ich sehr glücklich, denn auch meine Kartoffeln hatten Augen,  wenn sie gleich anders aussahen als meine Augen. Ich schnitt nun fleißig, wie alle, meine Kartoffeln in zwei Hälften.

Einige Tage später fuhren dann alle - auch ich – mit einem großen Wagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, aufs Feld um die Kartoffeln in die Erde zu legen.
Ich war schon sehr aufgeregt. Nun durfte auch ich, wie die Großen, Kartoffeln in die Erde legen, dachte ich.
Dem war natürlich nicht so. Kartoffeln durften nur die Erwachsenen in diese Furchen legen. Ich war sehr zornig und wäre am liebsten davongelaufen. Aber daraus wurde nichts, denn für Gottfried, des Bauern Sohn, und mich, gab es etwas anderes zu tun. Wir bekamen beide je einen  Eimer und wurden zum Aufsammeln von Steinen verdonnert. Gerne haben wir das nicht gemacht. Am Abend habe ich mich dann  bei meiner Mutter beschwert.

Jeden Tag lief ich nun zu diesem Acker um nachzusehen ob die Kartoffeln bald reif seien.
In der Tat, eines Tages sah ich, dass ganz kleine Pflänzchen, oft noch leicht von der Ackerkrume bedeckt, ihre Köpfchen aus dem Boden hoben
Überglücklich lief ich nach Hause um mitzuteilen, dass die Kartoffeln nun reif wären. Der Bauer sah mich verständnislos an. Die Bäuerin nahm mich zur Seite und versuchte mir zu erklären, dass die Kartoffeln erst in einigen Monaten reif werden.

Nun, die Zeit verging und das Kraut der Kartoffeln wuchs und wuchs. Ich ließ diese Kartoffeln nicht aus den Augen. Die Bäuerin hatte mir nämlich erklärt, dass wir zwar immer nur eine halbe Kartoffel in die Furche gelegt hätten, aber wenn die Kartoffeln geerntet werden, seinen an jeder Kartoffelpflanze viele neue Kartoffeln. Vorstellen konnte ich mir das damals natürlich nicht, aber meine Neugierde war enorm gewachsen.

Bevor wir die Kartoffeln ernten konnten, wurde noch das Gras reif.
Einige Zeit, nachdem wir die Kartoffeln ausgelegt hatten, wurde das Gras auf der Wiese hinterm Haus reif. Es wurde mit einer Sense abgemäht und zum Trocknen ausgelegt. Es musste zu Heu werden. Was es da nicht alles gab! Sie mähten das Gas ab, ließen es einfach liegen und irgendwann wurde es zu Heu. Ich verstand das nicht. Ähnlich machten Sie es mit dem Roggen, dem Weizen, dem Hafer und der Gerste. Hafer und Gerste haben mir gut gefallen- sieh sahen lustig aus.

Sie schnitten das Getreide ab, legten es auf kleine Häufchen, banden es zusammen und stellen es dann wieder auf.
Irgendwie war das für mich unverständlich. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Eines Morgens nun bekamen Sepp, Gottfried und ich, jeder ein kleines Gefäß in die Hände gedrückt und mussten Kartoffelkäfer sammeln. Was war nun das schon wieder? Wir gingen also in den Kartoffelacker, meinen Lieblingsacker, dort zeigten mir die Jungs die Kartoffelkäfer.
Es waren kleine gelb-orange-braune Käfer.“ Die fressen das Kraut ab“, sagten die zwei zu mir, „wenn wir die nicht fangen, bekommen wir keine Kartoffeln“. Das war natürlich für mich ein triftiger Grund, nach diesen Käfern zu suchen. Ich fand sie auch, aber meine kleinen Hände wurden von diesen Käfern ganz gelb und klebrig. Pfui! Vermutlich hatte ich in meinem Eifer einige von Ihnen zerdrückt. Noch heute schüttelt es mich, wenn ich daran denke.

Nun endlich, nach langer, langer Zeit, war es dann soweit. Mein schönes Kartoffelkraut war
inzwischen schon umgefallen und ganz welk geworden. Wir fuhren alle wieder mit dem großen Pferdewagen zum Kartoffelacker.

Der Bauer und sein Knecht gruben mit einer Gabel die Kartoffeln aus. Wir mussten sie auflesen und in Säcke füllen.
Tatsächlich stimmte was die Bäuerin mir erzählt hatte, an jeder Kartoffelpflanze hingen  Unmengen großer und kleinerer Kartoffeln. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Das war  ein beeindruckendes Erlebnis für mich.


Anmerkung von sensibelchen13:

Unvergessen.

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Kommentare zu diesem Text


 Mondsichel (30.04.09)
Hihi das erinnert mich an meine Kartoffelgraberei im Garten. Was da nicht alles zum Vorschein kam. Wühlen im Dreck kann manchmal auch Spaß machen ^^

Liebe Grüßle
Arcy

 sensibelchen13 meinte dazu am 30.04.09:
Stimmt, liebe Arcy. Einen schönen 1. Mai wünsche ich Dir.
LG. Helga

 Jorge (30.04.09)
Mal eine andere Seite der Autorin sensibelchen13.
Ja, zur Kartoffel könnte man ein ganzes Buch voll schreiben.
Wohl jeder hat in seiner Kindheit in ähnlicher Weise Erfahrungen sammeln dürfen, wenn auch nicht so intensiv. Für mich ist der Text ein angenehmes Aufschlagen von eigenen Erinnerungen an Ferien auf dem Land.

 sensibelchen13 antwortete darauf am 30.04.09:
Es freut mich, lieber Jorge. dass mein Text Dich in das Paradies der Erinnerungen entführt hat. Danke für Zeilen und Sternchen.
Einen schönen 1. Mai Dir.
Lieben Gruß
Helga
chichi† (80)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 schrieb daraufhin am 30.04.09:
aber gerne liebe chichi. Auch ich wühle oft, wie Du lesen konntest,
im Garten meiner Erinnerungen. Danke für Zeilen und Sternchen.
Einen schönen 1. Mai Dir.
Lieben Gruß
Helga
elvis1951 (59)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 äußerte darauf am 30.04.09:
Lieber Klaus,
Etwa 4o Jahre später wurde ich für ein Jahr zur Kartoffelbäuerin. Als mein Mann erfuhr, wie fasziniert ich von der Kartoffel war, zog er mir in unserem Garten vier Furchen und wir legten gemeinsam Kartoffeln hinein.
Noch nach so langer Zeit wartete ich, ungeduldig wie damals als Kind darauf, meine ersten eigenen Kartoffeln zu ernten.
Ich allerdings, hatte vorsichtshalber eine ganze Kartoffel in die Erde gelegt und wie einst, hingen bei der Ernte viele neue Kartoffeln an jeder Kartoffelpflanze.

Ich war sehr stolz auf mich.

Einen schönen 1. Mai Dir.
Lieben Gruß
Helga
steyk. (55)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 ergänzte dazu am 30.04.09:
Hallo Stefan, leider gab es bei mir damals kein Lagerfeuer.Spaß hätte es mir bestimmt auch gemacht. Danke für Kommentar und Sternchen.
Einen schönen 1. Mai Dir.

Lieben Gruß
Helga

 AZU20 (30.04.09)
Das kann ich gut nachvollziehen, wenn ich mich auch nur ungern an die vielen Kartoffelkäfer erinnere, die wir als Kinder einsammeln mussten. LG

 sensibelchen13 meinte dazu am 01.05.09:
... ich wollte die Käfer auch nicht, lach.
Danke für Kommentar und Sternchen.
Einen schönen 1. Mai Dir.

Lieben Gruß
Helga
Xoxaluk (68)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 meinte dazu am 01.05.09:
Ich denke schon, dass es diese Käfer noch gibt, aber die Bauern mit dem Gift das sie verspritzen halten sie wohl klein. Danke für Kommentar und die Sternchen.
Einen schönen 1. Mai Dir.

Lieben Gruß
Helga
Elvarryn (36)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 meinte dazu am 30.04.09:
Ansichtsache. LG.
Elvarryn (36) meinte dazu am 30.04.09:
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 sensibelchen13 meinte dazu am 30.04.09:
maybe. LG.
Lucifer (26)
(30.04.09)
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 sensibelchen13 meinte dazu am 01.05.09:
Hallo Lucifer, es freut mich, dass Du reingeschaut hast und mein Text
Dir gefiehl. Hab herzlichen Dank für Deine Zeilen.
Einen schönen 1. Mai wünscht Dir,

Helga

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.02.11:
Ein reichlich betulicher Text, aber wenn ich den Autorennamen lesen ist wohl Nomen omen.
"Zeitiges Frühjahr": Was soll das sein?
Außerdem fehlt mir die Kartoffelsorte und zu was sie denn weiterverarbeitet werden sollten - immerhin heißt es ja im Titel Faszination.

Nichts für ungut!

DR

 sensibelchen13 meinte dazu am 09.02.11:
Hallo , Dieter_Rotmund,
Danke für Deinen Kommentar. Du bist nicht der erste Jounalist, der Probleme mit meiner Art zu schreiben hat. Aber ich kann es eben nicht besser.
Was nun die Kartoffelsorte angeht, da kann ich Dir wirklich nicht sagen, welche Sorten es um 1945 so gab. Außerdem hat mich das als Kind überhaupt nicht interessiert.
Was mit den Kartoffeln sonst noch gemacht wurde.... weiß ich nur, dass man die kleinen Kartoffeln an die Schweine verfüttert hat.

Ich wünsche Dir eine schöne Zeit.
Das Sensibelchen13
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