Scherbenturm

Text

von  ZornDerFinsternis

Scherben liegen kalt am Boden. Finde meine leeren Augen in ihnen wieder. Sehe das Lachen sterben. War dies am Boden doch mein „Leben“, der Spiegel meiner Seele. Höre das dreckige, kleine Herz in meiner Brust verzweifelt schreien – weinen – klagen. Tränen fallen dem Abgrund der Seele entgegen. Gehen irgendwo dort draußen in der Schwärze verloren. Mir ist kalt. Friere. Fühle die Einsamkeit sich auf mich niederlegen – tonnenschwer. Blicke um mich. Schwarze Mauern aus Stein, ragen um mich empor. Zu hoch, ein Ende auszumachen. Vergeblich sie einzureißen. Vergebens zu rufen; zu schreien – wird meine Verzweiflung doch nur von den Wänden zu mir zurückkommen, ohne ein anderes Wesen je erreicht zu haben. Strecke langsam die Hand nach dem kalten Gemäuer aus. Eiseskälte dringt in mich. Breitet sich wie hochprozentiges Gift, rasend schnell in meinem Körper aus. Erstickt den letzten ungesprießten Hoffnungskeim. Lischt die schwache Glut, in meinem Herzen aus. Reißt die warmen Bilder aus mir heraus. Nimmt alles mit, was einstmals schön war. Dornenranken wachsen aus dem dreckigen Steinboden empor. Wuchern über die Mauern und bohren sich tief ins Fleisch. Finden ihren Weg in mein kaltes, kaputtes Herz hinein. Drängen dich aus seiner Mitte. Lassen mich innerlich verbluten. Der Schmerz vernebelt die Gedankenwelt, die sich immerzu im Takt des Hasses, drehte. Sinke kraftlos zu Boden. Liege im Staub; der Asche, unserer Träume – irgendwo im Dreck „Leben“. Sterne fallen auf mich im Zorn herab. Begraben dein Bild, irgendwo in der Unendlichkeit. Reißen dein Lachen aus meiner Seele. Verbrennen mich. Die dutzend Spinnenweben hier, an meinen Ketten; in meinem Verließ, sind die Einzigen stummen Zeugen – die Zeit fließt unaufhaltsam weiter; blieb doch niemals stehen. Die Welt dreht sich immer noch. Die Zeit – noch immer im Fluss. Die kalte Welt, da draußen, hinter den Gefängnismauern – sie lacht immer noch. Dreht sich; erweitert sich; lacht; lebt – das alles, ohne dich. Noch immer folgt auf den Herbst, der Winter. Noch immer kehren im Frühling die Vögel fröhlich singend ins erblühende Land zurück. Noch immer vermisse ich dein Lachen. Noch immer gibt es keine „Liebe“, ohne zu hassen. Immer noch, folgt auf Hoffnung auch ein Wunsch; ein Traum. Nur du, du findest keinen Weg mehr, hierher, zu mir, zurück. Bist irgendwo, zwischen Frühling und Sommer im Schneesturm verloren gegangen. Bist mit der Liebe, aus dieser Welt verschwunden. Dein Lachen, mit meinem Herzen im kalten Winter umgekommen. So lange ich weiß, dass ich dein Lachen wiederfinden werde, so lange habe ich Hoffnung. So lange, den „Glauben“ daran, dass es vielleicht irgendwann „erträglich“ sein könnte. Habe viele Jahre in diesem Kerker verharrt. Die Dunkelheit hat mich zugedeckt, damit ich nicht erfriere. Stilles Flüstern trug der Wind von weiter Ferne her, an mein Ohr. Doch die Einsamkeit blieb. Wartete. Einen Sommer. Einen Herbst – einen Winter – ein Jahr. So zog der Frühling ein. Gefolgt von Sommer, Herbst – Winter. Jahre zogen an mir vorbei, ins Ungewisse. Verloren sich im Schwarz der Nacht – genau wie du, genau wie ich. Habe nach dir gerufen. Jede Nacht, die fallenden Sterne nach dir befragt. Keine Antwort erhalten. Jeden Frühling habe ich dein Lachen zwischen den heranwachsenden, lieblichen Blumen gesucht – und nicht gefunden. In jeder Sommernacht, habe ich mein Klagelied leis‘ in meinen Kerkern gesungen. Gehofft, es würde zu dir gelangen. Gehofft, du kommst und rettest mich. Kommst zu mir zurück. Kommst hierher zurück, und hältst mich fest. Mit dem Herbstregen schickte ich meine Tränen auf die weite Reise. Fielen metertief den dunklen, eisigen Turm hinab. Verließen den Schutz der Dunkelheit, um dich irgendwo dort draußen zu finden. Dir irgendwo dort, wieder zu begegnen. Aussichtlos. Kamst nie hierher zurück. Hast keines meiner Worte mehr hören können. Keine meiner Tränen, mehr belächeln können. Meine Hand nicht mehr halten und mir keine Wärme mehr spenden können. In Schnee und Eis; im kalten Weiß der Welt dort draußen, habe ich mich verloren. Gehofft, wenn ich meinen Weg auch nicht mehr finden würde, ich dir vielleicht begegnen könnte. Habe nie aufgehört, dich zu lieben. Nie vergessen, wie unbeschreiblich schön, dein Lächeln immer gewesen ist. Musste nach all den endlosen Jahren der Bitterkeit ins Auge sehen. Musste verstehen, dass du fort bist. Dass du fortgehen musstet – dass du hier fehlst. Ich dich nie mehr wiedersehen werde… Riss immerzu verzweifelt an den schweren Ketten. Zog und zerrte. Weinte Tag und Nacht bittere Tränen. So bitter und salzig, wie ein Leben ohne dich. Über all die Jahre hinweg, verlor auch die Welt dort draußen; jenseits der Mauern, ihr Lachen. Irgendwann wird die Welt begreifen müssen, dass es nichts Schönes an ihr gibt. Dass sie nichts zu bieten hat, dass sie; dass dieses „Leben“, „lebenswert“ macht. Riss und zerrte an dem kalten Eisen, bis meine Arme vom Blut dunkelrot trieften. Habe so viele Tränen, beim Gedanken an dich, geweint. Wie oft habe ich schon, bis zum Hals in ihnen gestanden – den Schmerz; den Tod so bittersüß auf der Zunge geschmeckt? Mich gefragt, warum ich nicht auch endlich, diesen eisigen Pfad, der an kein Ende; kein Ziel führen wird, verlassen darf? Liege hier, in Staub, Dreck – Blut. Das Messer in der kleinen Hand. Fest umklammert. Zitternd. Ängstlich. Der Schlaf wird bald kommen. Besehe mir die Narben, die die Jahrzehnte über, aus der bleichen Haut gesprossen sind. Betrachte das dunkle, warme Blut, das langsam den Schnee bedeckt. Hoffe darauf, deine Augen im Sternenmeer wieder zu finden. Hoffe, dass dein Lachen, mir dort oben, zwischen den Wolken, den Weg zu dir weisen wird. „Ich liebe dich“.

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Kommentare zu diesem Text

Fairyedge_World (32)
(22.12.09)
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