Kruzifix. Noch mal.

Satire zum Thema Zeitgeist

von  JoBo72

Jetzt gibt es endlich auch in Italien das, was es bisher nur in Deutschland gab: Kreuzverbot für alle Schulen! Wenn schon keine klassenlose Gesellschaft, dann wenigsten kreuzlose Klassen!

Dabei darf es aber nicht bleiben. Es muss weiter gehen. Ein gottloser Kontinent muss seine Leere zeigen. Immer und überall. Leere Köpfe, die zu leeren Wänden führen, können da nur der Anfang sein.

So richtig rund wird die Sache erst, wenn das Kreuz radikal aus der Welt geschafft und dem Christentum ein Ende bereitet ist. Erst dann nämlich wird die Wissenschaft angstfrei und der technische Fortschritt ungehemmt sein. Erst dann wird es Frieden geben auf Erden. Erst dann hat die arme Seele ewige Ruhe.

Dazu habe ich kürzlich den Vorschlag gehört, in Europa alles zu entfernen, was religiös konnotiert wird (oder werden könnte!), weil nicht für alles andere, was ebenfalls religiös konnotiert wird, genug Platz ist. Gleichbehandlung ist das Stichwort!

Ich finde das großartig. Ich bin dafür, alle religiösen Symbole aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen: Kreuze, Sterne, Monde, Sonnen, Glocken, Kirchen, Syna... Also, jedenfalls die meisten! Vor allem alles, was sechs, sieben, acht oder mehr Arme hat. Und diese tibetanischen Wimpelschnüre, die über die Ausstellungsfläche beim Gebrauchtwagenhändler gespannt sind. Die ganz besonders!

Die Gefahr für Fortschritt, Frieden und Freiheit, die von einer ACHTbeinigen KREUZspinne im fahlen LICHT des HALBMONDS ausgeht, muss gebannt werden! Außerdem stören mich Spinnen. Nicht nur die mit Kreuz, sondern alle. Weg! Gleichbehandlung. Das gleiche gilt für Ottern. Fahrten. Und Bandrisse.

Da der Davidstern aus zwei verschränkten Dreiecken besteht, sollte man die Trigonometrie (Sinus und so – Sie erinnern sich!) in der Schule ganz abschaffen. Selbstverständlich auch die „Möndchen“ des Hippokrates (Sie erinnern sich???).

Der S-Bahn-Evergreen „Pendelverkehr“ ist nicht nur ohnehin ein Begriff, der die Gemüter aller – bei völliger Gleichheit! – in Wallung versetzt, sondern außerdem eine versteckte Werbung für das Eso-Zentrum. „Vielleicht kommt gleich eine Bahn!“ reicht doch völlig. Nie wieder „Pendelverkehr“!

Auch Vornamen, die sich unmittelbar christlicher Vorbilder verdanken, sind nicht unproblematisch. Wieso machen wir es nicht wie die DDR? Die Jungen heißen Meik, die Mädchen Schantalle. Gleichbehandlung.

Statt Kreuzungen könnte man zum Beispiel – wie im laizistischen Frankreich – den Kreisverkehr einführen. Wo ist das Problem?! Und warum, in aller Herr*piep*s Namen, muss man davon sprechen, dass „Flecki“ eine Kreuzung aus Dalmatiner und Dackel ist? Warum nicht „Mischung“? „Verschiedene Elternteile“? „Zweirassiges Gemeinschaftsprojekt“? Denken die Menschen eigentlich nicht daran, was sie denen antun, die ein Recht darauf haben, vom Missionsterror religiöser Fanatiker verschont zu bleiben? Von Fundamentalisten, die ihre Gewaltbereitschaft immer wieder auf grausame Weise zum Ausdruck bringen (Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennung)?

So, das musste mal wieder gesagt werden. Wissen Sie, ich krieg von der Redaktion mein volles Honorar nur, wenn in Texten über Papst, Kirche, Christentum, Religion und das Weihnachtsgeschäft die Wörter „Kreuzzüge“, „Inquisition“ und „Hexenverbrennung“ vorkommen. Das ist, wenn Sie über ein katholisches Waisenhaus in Zimbabwe berichten, gar nicht so leicht.

Aber zurück zum Problem. Das „N’ Abend“ in „N’ Abend meine Damen und Herren“ steht bei einigen „Tagesthemen“-Moderatoren in ständiger Gefahr als Schlussformel christlicher Gebete fehlgedeutet zu werden. Früher haben die in ihrer weltanschaulichen Verstocktheit wenigstens ganz offen ihre konterrevolutionäre Propaganda unters Fernsehvolk gebracht („Leute, die Mauer ist auf! Geht ma’ gucken!“). Heute geht das subtiler. Vorläufiger Höhepunkt: „Alles wird gut!“ Nina Ruge – nicht Johannes Paul! Als rationalistisch-szientistischer Säkularist kann einem nur schlecht werden! Das sind ja auch meine Rundfunkgebühren! Übrigens – Frage: Müssen Hindus unbedingt Straßen benutzen? Das sind ja auch meine Steuergelder! Und muss man unbedingt bayrische Wintersportreporter einsetzen, deren „Slalom“ der Damen akustisch kaum vom „Shalom“ der Juden zu unterscheiden ist? Adieu... äh... Tschüss, weltanschaulich neutraler Staat!

In den Pizzerien sollte man auf diese leidigen Kerzen verzichten – erinnert zu sehr an die Friedensgebete im Osten! Gebet ist Glaube. Glaube gibt Hoffnung. Hoffnung ist nicht empirisch nachweisbar. Also: unvernünftig. Also: Religion. Also: Weg! Die Kerze stört eh nur, wenn man noch einen Salat dazu bestellt hat.

Es gibt aber auch Zeichen des Fortschritts. Eine erste weiterführende Regelung trat nämlich bereits gestern in Kraft: Das „Rote Kreuz“ darf nur noch in Privatwohnung tätig werden. Bei Unfällen (Kreisverkehr!) rücken statt dessen die „Roten“ aus. Gut, dass die wenigstens weltanschaulich neutral sind!


Anmerkung von JoBo72:

Ernsthafte Auseinandersetzungen mit dem Straßburger Urteil, dem Wesen der Religionsfreiheit und dem Thema Religion in der Öffentlichkeit findet man hier:

Josef Bordat: Religionsfreiheit. Religiöse Symbole in Staat und Gesellschaft
http://tinyurl.com/3yf8fqs

Josef Bordat: Das Kreuz im öffentlichen Raum
http://www.freiewelt.net/blog-1048/das-kreuz-im-%F6ffentlichen-raum.html

Josef Bordat: Ein Zeichen, dem widersprochen wird
http://kathspace.com/community/JosefBordat/blog/ein-zeichen-dem-widersprochen-wird/

Josef Bordat: Was ist Religionsfreiheit?
http://www.freiewelt.net/blog-1070/was-ist-religionsfreiheit%3F.html

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (14.11.09)
Kabaret, Sachkunde, Irreführung - ein Permixtum compositum. Jobo als Nick ist die Abkürzung von Josef Bordat. So viel Offenheit sollte am ANFANG (nicht nur im Autorenprofil) stehen, damit Leser sofort (!) Zusammenhänge erkennen können.

Nur mal zurThese 8 (Das Kreuz im öffentlichen Raum): Man kann nicht politische Probleme bekämpfen, indem man gegen Religion vorgeht. - Nur die halbe Wahrheit. Religion erzeugt auch allzu oft politische Probleme (Nordirland, Indien undundund).

Das Problem der Entfernung religiöser Symbole ist doch nur aufgekommen durch die teilweise aggressive Symbolik des Islam im abendländischen Kulturraum. Und nun schlägt sich die Justiz mit logischen Konsistenzpoblemen herum. So einfach.

Religion zu bekämpfen ist sowieso Käse. Das findet alles in den Köpfen statt. Und wenn man die "bekämpft", wirds nur noch schlimmer. Meint ganz entspannt Agnostiker

Lothar
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