Wohnung Nr. 554

Erzählung zum Thema Heimat

von  Anifarap

Iwan erhielt fünf Meilen meiner Zeit. Es war ein Geschenk.

Er hatte neulich einen Mietvertrag unterschrieben. Die Wohnung besaß ein Zimmer, war ungefähr siebzig Quadratmeter groß mit Küche und Wannenbad. Mit einer Miete von knapp zweihundert Euro war es ein Paradies in Berlin.
Er hatte sie sich nie angesehen. Irgendwann kamen die Schlüssel und auch die Nummer der Wohnung. Sonst nichts. Iwan war fühlend. Und so beschritt er die Bürgersteige dieser nicht ganz koscheren Stadt, auf der Suche nach dem Haus.
Es war seltsam, gerade hier im Nordosten des sogenannten deutschen Landes (obwohl sorbisches Lande passender gewesen wäre) über breite, mit Palmen und Mimosen begrünten Alleen zu wandeln, den unruhigen Verkehr zu beachten und die Hitze so zu schmecken, als wäre man direkt in Jalta, an der Bergküste des Schwarzen Meeres.

Blind und doch immer richtig, zog ihn sein Gefühl durch Berlin und die Erregung wuchs in Iwan zu einem Wald Zitterpappeln.
Die Überquerung eines wunderschön angelegten Rondels war mit keiner Problematik verbunden. Die Häuser darum leuchteten in Pastelltönen und schmückten sich mit überflüssigstem Stuck und Pomp, als wäre man vierhundert Jahre in der Zeit gefallen. Die Autos jedoch und das Schild über dem Eingang zur Unterwelt entlarvten diese Lüge.
Auf dem Schild hatten die Einwohner seiner urbanen Seltsamheit folgendes vermerkt: Walter-Schreiber-Platz.
Iwan zuckte leicht. Auf der linken Ecke, ganz außen im Rondel, natürlich aus dem Blickwinkel seiner gefühlten Betrachtung, lag das Haus mit der silbernen Nummer 63. Es war vielleicht fünf Stockwerke hoch, zierte sich im verdünnten Sonnengelb mit güldenen Blumengeschwülst über den runden Fensterflügeln und auch die Dachgiebel schwangen sich überdehnt und etwas trotzig in Iwans Auge. Das weitete sich.
Die Treppe zum Aufgang war so breit, dass man darauf eine Schulklasse zum Lehren plazieren konnte.
Was man nicht konnte, war ganz zu verschweigen, dass dieses Haus rustikal und mächtig angab. Aber es war still und schien leer zu hallen, betrachtete man das Brausen und Knattern der Motoren auf dem Platz davor. Auf den Bürgersteigen, die sauber blitzten, sah Iwan keine Menschenseele.

Er ging durch die schwere, dunkle Eichentür und der Lärm der Welt war fort. Es tauschte den Platz mit einemSummen, das wie ein Herzschlag aus der Mitte schlug, irgendwo weiter tiefer im Gebäude.

Iwan fühlte es ganz deutlich: Etwas war anders. Ganz anders. Es war eine riesige Lobby, ausgelegt mit hellem, warmgetönten Sandstein. Zwei junge Frauen, beide brünett, liefen in saharafarbenen Kostüm umher, verkauften ihr Lächeln und befeuerten umherschlendernde Leute mit gedämpften Stimmen.
Iwans Hand fuhr nervös in seine Tasche und begann langsam mit dem Schlüssel darin zu spielen.
Unter den Füssen legten rote Sisalteppiche den Weg zu Treppen und verschiedenen Scwenktüren vor und Iwan zweifelte, ob er hier wohl richtig sei.
Denn Innen war es größer, noch größer, als das Haus außen schon geprotzt hatte. Er spielte mit der Wohnungsnummer im Kopf, wirbelte sie ein wenig hin und her und packte sie schließlich auf seine Lippen, wo es heiser 'Nummer 554' entfloh. Kaum gesprochen entfernte sich eine der brünetten Frauen von einer zweifelnd schlenderden schwarzhaarigen Frau, die ein Flamencokleid ihre Bedeckung nannte und strebte auf Iwan zu.

'Folgen Sie mir, bitte.', war das Einzige, was Iwan sie je sagen hörte in seinem Leben. Und er tat's. Aus einem Gefühl heraus. Über den roten Teppich gingen sie also die Treppe hinauf, zwei Wechsel roten Teppichs mit Messinggestänge gebändigt. Die Schritte waren nicht zu hören, nicht zu fühlen auf der barocken Art des Hauses.

Im zweiten Stock begann sich Iwan zu fragen, wie groß das Haus war, wirklich war, denn die Brünette führte ihn in einen runden Vorsaal mit breiten, römischen Treppen und Säulen und sogar eine Fontäne sprang ihn an. Die Leute sassen friedlich und teilweise schläfrig auf den Stufen, redeten zart und nostalgisch über Sokrates, Platon und Archimedes. In geregelten Abständen scheuerte ein Palmwedel seinen Blick. Iwan lief wie ein staunendes Kleinkind und traute seinen Augen doch nicht.
Woher das Licht kam, sah er nicht, so gut angebracht hatten sie es.
Stetig folgte er seiner selbsternannten Verantwortlichen, die ihn wieder durch eine Schwingtür mit feinmilchigem Glas in einen weiteren Korridor führte.
Dieser Korridor hatte nichts mehr mit einem Wohnhaus zu tun.
Iwan wurde gewahr, dass rechts von ihm gegenüber den vier-fünf Meter Fenstern, kleine Shops eine gewaltige Anziehungskraft auf eine traube Menschen machten. Die Läden waren kleine, von Aussen mit Holz getäfelte Räume, die alles anboten, was nötig war. Nahrung, Kleidung, Musik, Videos, kleine Haushaltsgeräte und so weiter und so fort.

Iwan strandete in seiner Erinnerung an die Fährenüberfahrt von Calais nach Dover. Genauso zollfrei, wirkte dieser Teil im Haus. Doch seine Führerin zog zielstrebig daran vorbei und Iwan bekam nicht die Zeit sich in seinem Erstaunen zu verlieren.

Wieder durch eine Flügeltür verließen sie die Ladenmeile und kamen auf einen schmaleren Flur. Si e bogen links auf eine schmale Treppendiele ein, deren begrenzende Wände mit einer Jagd bemalt waren. Sie stiegen noch zwei Wechsel, rot bewandete Stufen hoch, dann fand sich Iwan auf einem stillen Flur wieder, der etwas dunkler, wärmer strahlte, da die Südfenster mit geblümten Gardinen gedämpft wurden.

Die Tür war weiß lackiert und baute sich unauffällig gleich vor dem Treppenende auf.

Iwan war erschöpft von den Seltsamheiten, um nicht zu sagen verwirrt. Die Zahl an der Tür glänzte fiebrig in sein Herz hinein, das getaktet Schlug: 554
Seine Helferin lächelt ihn nur kurz an und verschwand irgendwo im Haus. Er zog den Schlüssel aus der Hosentasche und wußte genau, welcher ins Schloss gehörte. Zitternd schloss er
auf, die Tür schwankte grüssend nach innen auf und er trat zögernd ein.
Es war ein Fensterzimmer. Die Südwand war vollkommen als Fenster gebaut. Alles war weiß und noch nicht eingerichtet. Und Iwan begann zu lächeln. Erfüllt von dem Gefühl endlich angelangt zu sein, wo er sich zu Hause fühlen wollte.

Etwas grummelig reagierte ich dann doch, als er mir das berichtete. Er hat sich fünf Meilen Zeit von mir ausgesucht und ausgerechnet einen Traum mitgenommen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (30.11.18)
Stellenweise sehr schwülstig formuliert und nicht frei von Schlampigkeitsfehlern, z.B. "Scwenktüren".
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