Die ewige Botschaft

Kurzprosa zum Thema Nihilismus

von  RainerMScholz

Illustration zum Text
(von RainerMScholz)
Das rhythmische, insistente Ticken der Uhr - es ist Kronos, der mit seinem schartigen Schwanz an die umgedrehte verkehrte Seite des Bodens schlägt, um mich das Fürchten zu lehren, nein, nicht die Furcht vor dem Tode: vor der Dunkelheit der Einsamkeit. Schwarze Mare füllen die Rückseite meiner Pupillen, von müden Augen dorthin gebrannt. Alle Telefonnummern enden in Kein-Anschluss-unter-dieser-Nummer, vielleicht ist auch nur die Leitung gestört.
Tick, Tick, Tack, klopft es gegen meine Stirn. Ein leeres profanes Loch, erfüllt von diesem einen Geräusch des Wahnsinns. Ein vorbeifahrendes Auto, entfernte Schreie, dumpfes Türenschlagen oder ein leises Flüstern lässt die Welt dort draußen vor den geschlossenen Jalousien merkwürdig irreal erscheinen. Das Schlagen, das Ticken der Uhr ist das Klicken des Abzughahns beim Russisch Roulette. Vier Kammern der Trommel des Revolvers sind gefüllt mit silbernen Kugeln. Ich warte noch auf einen Spielgefährten.
Ich gegen das Nichts, die Dunkelheit, das Sterben. Sterben bei lebendigem Körper. Die Würmer meines Geistes fressen mich auf, ziehen mir die Haut vom Leib. Die Hölle ist erbarmungsvoller.
Ich habe ihn gesehen, ihn, den Meister, den Magister Extinctum, den Herrn der Pein. Ich habe ihn im zersplitterten Spiegel der Schwarzen Sonne erblickt. Er war ziemlich schlecht rasiert, doch vielleicht fehlte ihm bloß die Haut über den Wangenknochen, denn er hatte kein Gesicht, keines im herkömmlichen Sinne. Wir haben schon Bekanntschaft geschlossen. Er kann mich gut leiden.
Tick, Tick macht die Zeitbombe. Wann wird sie mich zerreißen?
Dein Reich komme - in meiner ewigen verlorenen Dunkelheit. Kein Gott wird mir helfen können. Die Spinnen kriechen meinen Leib hinan. Selig sind die im Geiste Armen. Ja, das sind sie. Jajaja.
Ihr Kreaturen des Schreckens, ich habe euch geschaffen, ihr seid mein Abbild. Hinfort. Ich bin euer Schöpfer, euer Gott. Der Gott des Aussatzes und der Pest, des Wahnsinns und der Agonie.
Mein Geist verfault, derweil ich mich daran ergötzen mag. Die Schichten des Bewusstseins werden mit schneckenhafter Langsamkeit abgeschält, um die andere Seite zu offenbaren, diejenige, die das Schwarz ist, an silbrig glänzenden Gestaden, dort, wo des nachts kein Mond seine kalten Strahlen über Wellenkämme segeln lässt, kein Stern am Firmament leuchtend in die Ferne deutet. Nichts wird bleiben.
Stoßweise, rhythmisch, zyklisch – autark in sich selbst ruhend.
Luzifer, Bringer des Lichts: er ist mein Verbündeter. Seite an Seite kämpfen wir gegen den schwarzen Spiegel.
Vielleicht sterbe ich jetzt, vielleicht morgen. Tick, Tick, vielleicht werde ich niemals sterben, sterben können, tot sein, in den Aggregatzustand des Nichtexistierens hinabgleiten zur Seeligkeit der heiligen Auflösung und des Endes der Kümmernis, des Strebens und Wollens. Des Lichts. Des Seins.
Geheiligt sei dein Name, Prometheus, Bruder. Die Adler deines tausendfachen Todes können dir nichts anhaben in deiner strahlenden Unsterblichkeit.
Mein neidischer Hass begleitet dich in deine Ewigkeit, meine Missgunst delektiert sich an deiner Leber. Ticktack.




© Rainer M. Scholz

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