Na dann

Kurzgeschichte zum Thema Normen und Werte

von  tigujo

Womöglich nutzt auch das nichts. Die Sturheit der Menschen kennt keine Grenzen, so blöd möchte man sein. Ich tu mein Bestes, doch der Kerl ist nicht zu bewegen, koste es, was es wolle.

Ich hasse ihn. In ein paar Tagen brechen die langen Festtage an. Ich hab den Urlaub wirklich nötig. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich zu Hause war, und Mirjam wird auch bald genug haben von meinen leeren Versprechungen. Alles hängt an ihm.

Ich hasse ihn, außerdem stinkt er. Nicht der übliche Geruch, den die alle haben, kein Wunder, hätte ich ebenfalls an seiner Stelle. Nein, er riecht süßlich. Bestialisch, genau, ich merk das sofort. Ich wette, die Fäule macht sich einfach breit.

Schön wär’s gewesen, die langen Tage daheim.

Für Mirjam hab ich ein besonderes Geschenk diesmal. Eigentlich sind es zwei, das zweite ist eher was ziemlich Neckisches, bin geil darauf, zu sehen, wie sie darin aussieht, wenn ich’s ihr ausziehe.

Vorher noch zwei Tage bei meiner Frau, alles gemächlich, weg von hier einfach, Ruhe, gutes Essen, Familie, Verwandte von ihr zu Besuch, aber die machen selten Probleme, die wissen, dass ich für den Staat arbeite. Höchstens die Kinder können nerven, die sind stolz auf mich, wollen immer alles wissen, welche spannenden Geschichten ich erlebe im Dienst, bin ihr Held. Die nerven dann solange, bis ich mir irgendetwas Abenteuerliches zusammenreime vom siegreichen Kampf gegen die böse Macht unserer Feinde. Alles streng geheim, sag ich ihnen, das macht es noch märchenhafter. Wenn die wüssten. Nachher zu Bett und das Übliche, meine Frau liebt mich, glaub ich.

Am dritten Tag muss ich dann weg für ein paar Tage, sag ich ihr, und ab zu Mirjam, neue Reifen für den Wagen muss ich mir anschließend auch noch organisieren, doch aus allem wird heuer wohl nichts, und schuld ist dieser Mistkerl.

Es ist so sinnlos, er hat uns ja bereits alles Mögliche gestanden, wozu ihm zum Schluß auch noch rausdrücken müssen, er hätte seine kleine Tochter gefickt. Wem nützt das was. Seit einer Woche mühen wir uns, diesmal ist er nicht weichzukriegen. Er will nicht. Befehl bleibt. Bleibt sicher an mir hängen. Wenn er mir unter der Hand krepiert ohne Geständnis, bin ich gespannt, wer mir den Urlaubsschein unterschreibt. Nichts mit Mirjam. Keine neuen Reifen. Ich könnte heulen.

Ich muss mir was einfallen lassen, lange tut er nicht mehr. Ich spür es. Eigenartig, was manche aushalten. Ich füge ihm Schmerzen zu, er grunzt nur. Klar weshalb, letzte Nacht hat ihm wer das Kiefer gebrochen, kann mir schon denken, wer das gewesen war, unser Rambo wahrscheinlich. Nichts im Hirn und unbeherrscht. Kontraproduktiv ist das.

Auf in die Schlacht. Ich brülle ihn an, er sei selber schuld, wenn er leide. Dann nehm ich die vorgeglühte Heizspirale. Am Unterleib ist er ohnehin schon offen. Ich bin wütend und sag ihm, das ist dafür, dass er mir den Urlaubsausgang versaut. Dann probier ich etwas Neues aus. Jetzt kann er plötzlich doch wieder schreien, geht ja, wer sagt’s nicht. Ich lass mir Zeit. Gib’s zu, und alles wird wieder gut, wiederhole ich dabei, so laut ich kann. Es stinkt fürchterlich. Er will trotzdem nicht.

Die Tür geht auf, unser Maestro ruft mich zu sich. Er blickt mich fragend an, ich  schüttle leicht den Kopf. Eigentlich hätte ich mir den Urlaub nicht verdient meint er, aber bei Neulingen ist man nicht so. Ich werde von Rambo abgelöst. Ich freu mich auf die langen Festtage, auf die Zeit allein mit Mirjam. Aber vorher muss ich mich noch gründlich waschen. Und hoffentlich klappt’s auch mit den neuen Reifen.


Anmerkung von tigujo:

Text ist bereits vom 1. Mai 2011. Es war ein Sonntag, las gerade Nachrichten. Vor einem Jahr hatte ich eines der arabischen Länder bereist, kurz war die Zeitreise, lang der Nachgeschmack.

Es gibt Wüsten dort, in den Wüsten gibt es Gefängnisse, Geheimgefängnisse nennt man sie, an diesen Stätten leben die einen unfreiwillig, die anderen - wie soll man sagen, das Leben ist halt kein Honiglecken auch für die anderen nicht.

Auslöser für den Text war dann das aktuelle Mail eines Reisebegleiters damals, ich las seine Worte, hörte die neuesten Nachrichten über dieses Land, und der berühmte "erste Satz", den ich oft brauch, kam mir in den Sinn:"Womöglich nutzt auch das nichts".

Rest dann automagisch runtergeschrieben,unwillkürlich im Flow, man kennt das.

Merkte erst in nachhinein, worum es mir wohl ging, warum es mir schwer fiel aufzuhören, schwer fiel, weiterzuschreiben: Ich suchte wohl zu verstehen, Verständnis zu haben für beide Seiten, das eigentlich so banale Geschehen vor reflexartiger Empörung über ohnehin stabile und eingespielte Verhätlnisse zu schützen - um es zu zeigen, bloßzustellen.

Hab den Text ein paar Tage später im Cafe Votiv in Wien vorgetragen, AutorInnentreff. Rückmeldung war durchwachsen: Einerseits schmeichelnde Worte,das tut immer gut, andererseits klare Ansage, solche Texte lese man ungern, selten freiwillig. Art Absage.

Nun ja, schau mer, was ihr meint

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (23.05.11)
Finde den Folterkram etwas zu plakativ, der Familien-"Mirjam"-Kram gefällt mir erhbelich besser, weil subtiler. Was ist das überhaupt für eine komische Schreibweise, "Mirjam"???

 tigujo meinte dazu am 25.05.11:
Danke für das Feedback.

Wegen Folterkram:
Den Folterkram weniger plakativ machen? Hm, dezenter geht gar nicht, dachte ich mir im Stillen, ohne das - sicher abstossend Grausliche - dann ganz wegzuretouchieren. Aber so ist es halt an manchen Orten, da ist es schlicht grauslich. Aber vielleicht gelingt es doch - hast einen Vorschlag für mich?

Wegen Miriam/Mirjam-Kram:
Wikipedia meint dazu "Der Name ist hebräischen Ursprungs und lautet eigentlich Mirjam"
Weiters "Mit seinen vielen Abwandlungen ist der Name Mirjam/Miriam/Maria der im deutschen Sprachraum am weitesten verbreitete weibliche Vorname. Die Bedeutung des Namens ist allerdings nicht vollkommen geklärt."

Gruß tigujo
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram