Die Pseudologen oder Von der Schönheit der Wolle

Text

von  Akzidenz

Laubgrün: Blätter, Trauer, Wissenschaft. Ganz Deutschland hat diese Farbe.
(Frida Kahlo)



[..] . . auf den persischen Marktflecken vielleicht, wenn der Basar die Händler ausschüttet und das Treiben wie von selbst beginnt, uneingedenk irgendeines undeutschen Grundes für sein Erscheinen, er erscheint maßlos: Sag, hast Du je den Anfang solcher Märkte erlebt? Da liegen die Spezereien plötzlich vor der Straße brach und bieten sich dem ersten dar; man rauft nach Preisen und es tritt jählings ein Krakeeler aus einem Fenster und gebäret gutmeinend avestische Töne, deren Zeichen und Finger einzig den Emptoren zu gelten scheinen - aber, dieser goldbraune Mensch ist mir immer noch ein Kerberos, verehrter Julius. Der mimt das Land, aus dem man kommt, und es scheint mir seiner Stimme ein ganz anderes Werk von Sprache zu obwalten; eine veredelte, von der man weiß: sie lässt sich nieder!

Auch die Edelsteine sind eine Zumutung für den, der nach ihnen ruft; hier besitzt der Mensch das Simelium der Welt, doch nur das Annehmen fällt schwer. Einen schwarzen Turmalin hatte Ich mir zur Pendenz gemacht, und es scheint freilich keine bessere Erklärung dafür zu geben, warum das Kaufen hier so schwergemacht ist, wofern man bedenkt, dass sich der Kaufleute hier sämtliche arkanen Krafte und gemmologischen Wunder offenbart haben, wie der Regen sich über dem Walde! Wer da ein trockenes Plätzchen findet, der sollte sich fragen, ob er nicht vielleicht nur schon zu nass geworden ist: zwischen all dem Gestrick, das sich allmählich in seiner numeralen Eintracht gegen die Trockenheit der Europäer verschworen hat und sich langsam mit den anderen Pflanzen aufweicht - und die Pilze gären in warmer Luft - muss man zu hören vertragen können, was der Wald vor Deinem Heimweh sagt:Das ist gut!

Ich glaube, Genosse, es gibt nichts graulich Übleres für mich, als ein Geschenk, das mich anekelt! oder eine Speis, die mich innerlich erbrechen lässt: solcher Degout ist weniger ein Einverleiben, als ein Ausgeben des Leibes für einen ganz anderen und gastlicheren Leibe. Der Vorwurf, nicht zur Krankheit beschaffen zu sein: das scheint mir die ganze Bamboschade persischer oder nabatäischer oder sonstiger Art Gastlichkeit. Man merkt sich selbst verdauen! und dass man ihre Gastfreundschaft in Anspruch nimmt. Wer das nicht verträgt, der weiß, dass auch das Land ihm nicht bekömmlich ist! Die Auszeichnung eines Landes ist zuerst, wie man vor Ort mit Feuer und mit Vieh hantiert hat. Ganz zu schweigen von den Erdöfen, der Geometrie der Häuser, die speziösen Anrichten, die hellen Arkaden, der sandfarbene Schwalch und die fiesen Zwiebeltürme! Die entspiegeln sich im bulbiformen Aufgebot von Kesseln und anderlei Exotischem: Trockne Körbe voller Honig, Vitren von Mumia; mumia vera aegyptiaca, granulierte Mumien als Arznei, klebrige Perlen, zoolatrische Terrakotten, Straußeneier zum Sakrieren, Alraunen, und Praegustatoren, die dran glauben. Wer hier einen nüchternen Händler trifft - ein trockenes Plätzchen - der würde rasch an seiner Herkunft zweifeln: hier beargwöhn Ich die Ruhe der Stund! Hier schweigt nur der, der nichts zu sagen hat; der andere buhlt, wenn man ihn fragt. Und doch ist alle Welt verbessert. Schier sehr fremd ist mir der Anstand hier! Der Anstand schuldet, sage Ich Dir - der Instinkt lacht, selbst in den fiesesten Stunden. Und auch Schmerz kann noch erhaben sein! Auch Ich finde noch üble Wege hin zum Schatzhaus und den dorischen Toren! Das ist nicht Europa! Die Fenster buhlen nicht, die Löcher buhlen nicht, das Rindfleisch buhlt nicht! Für die Wirklichkeit wird nichts gebraucht.

Einen Unterschied gibt es zwischen den Metöken und den Fremden dieser Stadt - je nach dem, wo sie logieren, und europäisch drück Ich's aus: Wer in der Mansarde lebt, es gibt wahrlich keinen hoheitlicheren Grund für einen freien Mann: Wer die Mansard nicht wie ein Literat bewohnt, den hat die Demut wohl noch nicht beschenkt und der meidet immer die Natur der Sache und der freut sich wohl noch mehr der Uhren, als der Zeiten . . der fürchtet nur die fertige Welt! -- Freund, wie bist Du mit Deinem Fenster zufrieden? Spät bei Nacht an meiner Eck höre Ich im Dämmerschlaf schon das perlitische Gepäck der Markthändler durchs Dunkel ziehen, und beim Morgen höre Ich's noch, als sei es durch den Traum gegangen! Die Karawan! Und setze Ich einen heißen Fuß ins Freie, stehst Du schon da mit Deinem Zeus und hast Gewürz gegen hundert Myrtenzweig getauscht. Ich frage nicht, warum - Wir ambulieren durch die Gass wie immer, und Ich neide den Einheimischen um ihr unauffälliges Gesicht:Unsere Unschuld soll bewiesen sein! so spricht der Fremde aus mir, den noch ferne Tugenden unterhalten. In Europa, aus einer Mansarde gestiegen würde Ich meinen: Ich bin der Mensch, den ihr euch wünscht! . . Du, ein Verräter neben mir.

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