Dysis

Text

von  Akzidenz

[..] Aber was ist es bei der Menschen Scham, der spricht: Ich schäme mich!
Wie viel der Schmache, der noch vorführt: Ich erröte.
Die Geduld faucht nicht: Ich g e d u l d e mich!



[..] Weit mehr als das Proszenium, gewahr mit vollrem Auge Ich doch die, die hinsehen. Wahrlich, mir scheint nichts künstlicher vor diesen Künsten, als das Zutun derer, die die Natur zeigt, so wie sie sind, sich vor ein Lustspiele gesetzet haben und in den Hintergrund abrücken. Es vermählt sich überhaupt etwas Gnadenvolles in der Vorstellung, dass das théatron ohne die Aufzucht einiger geduldiger Stille gewiss recht bald zu Grund gegangen wäre; die erste Schautat war erbleicht von dieser stillen Hekatombe Mensch - augenruhend, einäugig, flüsternd und vollzählig. Vielleicht reizt es mich, zu sagen, dass hier der Spiegel einen hat, den er nicht sieht, den er gar leugnet. Ins Amt der Pharisäer hinterbrachten sich die Spektatoren; und in Wahrheit rührt sie nichts so sehr, wie dass sie unter vielen sitzen können ohne Aufruhr, den Aufruhr schauend; voller Mutität und Anmut. Mehr noch, Ich halte es für die indistinkte Natur des Theaters, dass dort viel Wunderkammerei zur Eskamotage betrieben wird - höre Ich Theater, höre Ich immer nur einen Ort, an dem der Mensch spukt, an dem er Gerücht wird; der Mensch, ein Kammerkätzchen hier! Franchement! Grenzt es nicht an Aberwitz, dass, wo der Mensch sein volles Menschentum erreicht hat, wo er Scham und Stolz bloßstellen darf, er am schattigsten erscheinet? Vor ihnen? Jenen? Fieberhaften? O, gebt einen Vorführer der Krankheit mehr - und S e h e r ! Ein Sehen jenseits gefährlicher und unbittlicher Vergehen! Das ist doch gar das größte Wunder unter selbstgerechten Sehenden! Unter Zuschauern! Sagt, sieht man da den Menschen nicht nur seinen Garten an den anderen legen, merkt man es nicht: je leerer das spectantium, je leerer die Loge, je weniger im Vorführhaus an anderen Augen staunen und schwitzen, so mehr dreht man sich nach sich selber um, so, tatsächlich, wird es enger, liebesfähig.

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Kommentare zu diesem Text

hoor (22)
(07.11.13)
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