. die letzte Fahrt mit der Schmalspurbahn und der Reichertsausener Froschweiher .

Erzählung zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

In Bremerhaven war es nasskalt, als der Lorenz über die Landungsbrücken ging. Sein Hund schlich hinter ihm her.

Tagelang, die ganze Fahrt - seit der Straße von Gibraltar - hatte er diesem Augenblick entgegen gefiebert. Und nun regnete es in Strömen, ein paar Katzen schlichen um die Kaimauern und rauften sich um Abfälle.
Der Hund knurrte!

Deutschland war trostlos. Am Bahnhof hatte die Gaststätte schon geschlossen, es war zu spät.
Er musste warten.

Auf den Nachtzug
Um 21.03 Uhr fuhr er nach Bremen.
In Osnabrück war er um 23.05.
Über Hannover, Göttingen, Kassel und Fulda ratterte der Eilzug nach Würzburg.

An Schlaf war nicht zu denken.
Um 6.45 stieg er in den Schnellzug nach München Hbf. Wolkenverhangen lagen die Weinberge im Morgendunst.

Alles rauschte an ihm vorüber:
Erlangen, Nürnberg und Ingolstadt. Dann verzog sich der Nebel.

Kurz nach 9:00 Uhr dampften sie durch Pfaffenhofen - ohne Halt.
Er schaute aus dem Fenster.
Rechts oben glänzten im Licht des Morgens die Türme der Klosterkirche von Scheyern.
Da rutschte Lorenz das Herz in die Hosen.

Dann begann sich alles zu drehen.
Seine Geschichte, die letzten Jahre wirbelten durcheinander. Bilder erschienen vor seinem Auge; - und verblassten unverstanden.

Marie, meine liebe Marie...

„Junger Mann, ist ihnen nicht gut; - sollen wir das Fenster öffnen?“

„Nein, nein, ganz lieb von ihnen, lassen sie nur. Ich brauche nur etwas Schlaf...

Um 9:47 stand er auf Gleis 3 am Münchner Ostbahnhof:

„Lokalbahn nach Landshut über Freising und Mainburg, alles einsteigen!“

Die Stationen des Halledauer Bockerls sind schnell aufgezählt: Ismaning, Hallbergmoos, Freising und Zolling und Katzenrindbach.
In Attenkirchen hielt der Zug um 10.17.

Es war Feiertag.
Kein großer Bahnhof!
Er war der einzige Fahrgast.
Der Bahnhofvorsteher erkannte ihn nicht mehr.

Der junge Mann mit Dreitagebart und einem scheckigen Hund traute sich nicht nach Hause zu gehen.

Hatten sie weiße Tücher aufgehängt?
Gewiss nicht!

Er stieg den Hügel hoch zum Ort.
Links war die Kirche und der Postwirt, -rechts die Straße nach Reichertshausen.

Dort gingen sie entlang; -
der Lenz und sein vierbeiniger Begleiter.

Auf beiden Seiten seines Weges langen die Hopfengärten noch brach; - kaum waren die Ranken auf Kniehöhe.

Als er die sanften Hügel sah, die roten Dächer der Dörfer, die sich unter den Türmen der Hopfendarren zusammen duckten, musste er weinen.

Links ging es nach Pfettrach, von dort weiter nach Brandloh oder über den Hügel nach Willertshausen.

Geradeaus war das Kirchdorf.
In Reichertshausen würde er zurückschauen können. Auf seine Heimat, auf die weiß geschmückten Gärten ...

Die Halledau war ihm fremd geworden.

Er wusste nicht, dass die Küblböcks und ihre Nachbarn, ein paar gutmütige Bauern in Willertshausen, der Pfarrhaushalt in Pfettrach und andere Einödbauern, tatsächlich weiße Tücher aufgehängt hatten ; - in gottsnamendreißig!

Aber nur damit die Afra, die wie eine Hausiererin von Haus zu Haus lief, endlich Ruhe gab.

Aber wegen dem Gewitter, das letzte Nacht tobte hatten die vorsichtigen Frauen die Laken wieder abgehängt; - und was an den Wäscheleinen vergessen wurde, hatte der wilde Wind mit sich fortgetragen.


Da stand er nun.
Wie bestellt und nicht abgeholt.
Trotzdem, links neben dem Brandloher Hügel, dort wo es nach Willertshausen hinunterging, blitzte es weiß im Vormittagslicht.

War er doch willkommen?

Unten an der Wegkreuzung spielten Kinder. Sie tollten um den Feuerwehrteich herum. Ein paar Buben und ein kleines Mädchen.

Als er näher kam, wurde er stutzig. Ein Mädchen mit Trägerkleid und Kniestrümpfen watete ins Wasser. Die Buben nahmen Reißaus.

Sein Hund winselte und kläffte, sprang an ihm hoch, dann rannten sie los.

Schon ruderte die Kleine mit den Armen und schlug im Wasser um sich. Sie hatte den Boden unter den Füßen verloren, sie würde ertrinken!

Um Gottes Willen, das gibt ein Unglück! Er rutschte die Böschung hinunter, vielleicht konnte er das Schlimmste noch verhindern.


Aber er kam zu spät. Das Mädchen war nicht mehr zu sehen. Nur ein paar Luftblasen,
und dort:  ein Haarschopf....

Lorenz überlegte nicht lange zog noch im Laufen seine Jeansjacke aus, streifte sich die blauen Segeltuchschuhe ab und sprang ins Wasser.

Fünf Minuten später hatte er ein bibberndes, zitterndes und pudelnasses Bündel im Arm.
Ein Mädchen von 5 oder 6 Jahren; - mit einem Teddybären, den sie fest an sich drückte.

Den Lorenz durchfuhr es wie ein Blitz.
„Um Gottes Willen, das darf nicht sein; - alles, nur das nicht...

„Was hast du denn “, piepste die Kleine, „ ich kann doch meinen Heini - Bär nicht ersaufen lassen. Die Berglehner Buben und der Kopfhammer Klausi haben ihn in den Weiher geschmissen, sie wollten ausprobieren ob er schwimmen kann. Aber als sie dich gesehen haben, sind sie weggelaufen.

Der Lenz konnte sich keinen Reim darauf  machen. Wie kam das Mädchen zu dem Bären, den er seiner Mutter geschickt hatte?
War es Zufall?

„Ich heiße Kathrin, “ sagte das Mädchen und mit den langen Zöpfen.

Sie schaute ihn aus ganz bezaubernden Rehaugen an. Und wenn sie lachte, dann ganz verschmitzt um den Mund herum; - , aber das Grübchen am Kinn, zu wem passte das?

„Und wer bist du? Bist du ein Handwerksbursch oder ein Scherenschleifer?“

„Ja, was glaubst denn du?
Ich bin ein Seemann, ein Matrose!“

„So einer wie mein Heini - Bär?
Magst mich nicht abtrocknen?“
Hast kein Handtuch dabei in deinem Sack?“

„Natürlich nicht, so was hat ein Piratenkapitän doch nicht!

Aber im Holunderstrauch, neben dem Holzsteg hatte sich ein weißes Leinenlaken verfangen; - der Wind mag es her geweht haben!

Nach dem sie einigermaßen trocken waren, kuschelte sich die Kathrin mit den schwarzen Zöpfen - ganz eng an den gelbscheckigen Hund, damit ihr ein bisschen warm würde.

„Und wie heißt denn du?
Bist du der Lumpi - Hund?“

Der aber gab nur ein wohliges Knurren von sich, legte seine Schnauze auf die Vorderpfoten, rollte sich ein und räkelte sich in der warmen Maisonne.

Dem Lenz war nicht wohl in seiner Haut:
„Jetzt wird’s aber Zeit Kathrin, dass du nach Hause gehst, dein Vater und deine Mutter werden sich schon Sorgen machen um dich!“

„Ja, weißt du denn gar nicht, dass heut Himmelfahrtstag ist, da dürfen wir nach dem Kirchgang doch draußen spielen; - und mein Vater ist weit weggefahren, der kommt erst wieder, wenn ich heiraten tu; - meine Mama ist in Willertshausen beim Wirt, mit der ganzen Verwandtschaft, - zum Leichenschmaus - kommst mit?

Da kriegst ein Bier!“

Was blieb dem Lenz anderes übrig? Er konnte das nasse durchgefrorene Bündel nicht alleine nach Willertshausen rüber laufen lassen!

Das Mädchen war sehr gesprächig. Sie schnatterte die ganze Zeit wie eine junge Kirchweihgans:

„So einen Kerl wie den Lumpi - Hund könnten wir auf dem Hof gut gebrauchen. Dann kann der Fuchs nicht mehr in den Hühnerstall hinein, wenn ich vergesse den Holzschlag zu schließen.“

Der Lorenz war einsilbig und schwieg.

Er blieb stehen und schaute über die Felder nach Willertshausen hinüber. Beim Schusterhuber im Garten war kein weißes Laken zu sehen, auch nicht beim oberen Berglehner; - nicht ein weißer Fetzen hing, in den Obstgärten der Einödhöfe zwischen Reichertshausen und dem Brandloher Berg.

„Kathrin, du mußt alleine nach Hause gehen. Ich bin hier fremd, und nicht willkommen, ich muss wieder umkehren, sei mir nicht böse!

Das Mädchen hielt aber die Hand vom Lorenz.
Eine kleine Hand in einer Großen.

Ganz fest hielt sie den starken Seemann.

„Ach geh’; sag so was nicht; -  so fremd bist ja gar nicht hier.
Du kennst ja jetzt mich, und wenn du einmal meine Mama gesehen hast, dann willst ganz bestimmt bleiben und nimmer fort!“

„Kindermund tut Wahrheit kund,
sagt man in der Halledau!

„Du hast mir ja auch noch gar keine Seemannsgeschichte erzählt;
kennst vielleicht gar keine?

Viele Geschichten kannte der Lorenz, die er der kleinen Kathrin mit den langen Zöpfen erzählen konnte:

Geschichten von den Träumen der Matrosen,
Ihrer Heimat, dem Meer;
Geschichten von Rio und Shanghai,
von Hong Kong und Hawaii!

Am besten mochte die Kathrin die Legende von der schönen Shogun - Prinzesin Mitsu, den tapferen Toragawa und dem gemeinen Kotokanawe.

„Die arme Mitsu, ist jetzt bei ihrem Prinz; - im Reich der Toten! Bei uns ist es mit den weißen Bäumen genau so, Herr Matrose; schau doch dort hin:“

Eiskalt lief es dem Lorenz den Rücken hinunter, seine Knie zitterten, er fröstelte; -
das hatte er nicht erwartet!

Tausende und abertausende von weißen Blütenkerzen auf den zahlreichen Kastanienbäumen, die auf der Straße von Willertshausen nach Attenkirchen standen, hießen ihn willkommen.

War es ein Zeichen des Himmels?

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (20.01.14)
Diese Heimaterzählungen haben etwas, lese sie gern. LG

 Dieter_Rotmund (19.03.14)
Zu viele Absätze und Du solltest Dich mal darauf einigen, ob Du die Uhrzeiten mit Punkt oder Doppelpunkt schreibst, beides im selben Text wirkt schlampig.
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