Regengebet

Gedicht zum Thema Feigheit

von  shadowrider1982

Ich hab' einen See aus Tränen im Ohr,
komm' tot und wie neu geboren mir vor.
Hab' meine Lebenslinie erkannt,
hab sie gefunden in fremder Hand.
Zähle am fremden Wesen die Wunden,
die mich so quälen in endlosen Stunden.

Von Nächten zerrissen, mal schwarz und mal weiß,
bei Tage verschweig ich, was niemand weiß.
Sieh mich lachen und weinen, traurig und froh!
Such den Grund nicht in mir, such ihn anderswo!
Such ihn da, von wo kein Weg sich entfernt!
Such ihn da, wo ich die Wahrheit gelernt!

Ich schließe die Augen, will die Wahrheit nicht seh'n.
Ich wünsch mir so sehr, ich könnt rückwärts geh'n!
Ich fühl mich geblendet von grellem Licht.
Ich fürchte den Schatten, der mich zerbricht.
Ach könnt' ich zurück zu den grauen Tagen,
leer und kalt, doch ohne die Fragen.

Ach wär' ich doch der, der ich glaubte zu sein,
im ewigem Eise ein karger Stein.
Ich will alles vergessen, Stunde um Stunde.
Nur die Narbe wird bleiben, eine weitere Wunde.
Ich würde vergessen, dass die Welt mir gefiel,
wenn bloß der Herbstregen endlich fiel.


Anmerkung von shadowrider1982:

geschrieben am 14.10.2011

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Kommentare zu diesem Text

moscherboy2 (21)
(04.03.16)
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 shadowrider1982 meinte dazu am 05.03.16:
Hallo moscherboy2,

Zuerst ein mal möchte ich sagen, dass es für mich immer wieder verblüffend ist, wie sehr sich die Leser tatsächlich mit dem auseinandersetzen, was ich hier veröffentliche. Das hätte ich in dieser Form nicht erwartet, als ich mich bei KV angemeldet habe. Es motiviert ungemein zum Schreiben, dass sich andere Menschen tatsächlich konstruktiv damit auseinandersetzen, was man schreibt. Es erinnert mich ein bisschen an die Gedichtinterpretationen im Deutschunterricht damals, nur dass ich jetzt nicht mehr der Interpretierende bin, sondern der Interpretierte. Das ist eine neue und sehr interessante Erfahrung für mich.

Die fremde Hand war zu dem Zeitpunkt, als ich Regengebet geschrieben habe weder Familienmitglied, noch ein besonders guter Freund, noch ein Lebenspartner. Letzteres sollte sich ein paar Jahre später allerdings ändern. Es war zum damaligen Zeitpunkt einfach eine Bekanntschaft, die mir emotional allerdings sehr nah ging. Daher auch die innere Zerrissenheit, die dir in dem Text aufgefallen ist. Es war eine Situation, in der ich mich einerseits einem Menschen sehr nah gefühlt habe, in der ich aber andererseits keine Chancen auf eine gemeinsame Zukunft gesehen habe. Diesen inneren Zwiespalt habe ich damals als sehr schwierig und schmerzhaft erlebt. Daher auch der Wunsch nach dem Herbstregen, der die Situation rein wäscht und mich aus dieser Lage befreit.

Vielleicht konnte ich dir damit jetzt etwas mehr Klarheit über die Beweggründe hinter diesem Gedicht verschaffen.
Danke für deinen lieben Kommentar. Es freut mich, dass die Regengebet so gut gefällt.

Liebe Grüße
shadowrider
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