Immer der Sonne hinterher

Gedicht zum Thema Atem/ Atemlosigkeit

von  Inlines

Wir rennen über die Dachlandschaften, und die Nacht kommt hinterher. Wir überspringen Häuserschluchten, den letzten Abgrund längst vergessen, um einen Vorsprung rauszuholen, der uns eine Rast erlaubt. Wir rennen, mit üblem Seitenstechen und einem Herzen, das pocht, als würde es das Körperinnere verlassen wollen. Einem Herzen, von dem wir nicht wissen, ob es wirklich in uns ist, weil wir es noch nie zuvor gesehen haben. Wir hetzen, wir keuchen, das Schienbein voller Schrammen, die Hosen voll mit abgeschürftem Plattenrot, und spüren dort im Nacken kühlen Atem, welcher scheinbar immer kühler wird, während unsre Wangen sicher heißer werden. Wir ignorieren dies und rennen einfach, Beine schneller als das Auge, und fragen uns, was haben wir getan, dass uns das Dunkel stetig folgt, es so viel Zeit in die Verfolgung investieren möchte. Sind wir ihm was wert? Haben wir etwas verloren, von dem es glaubt, dass wir es bald vermissen werden? Wir schütteln den Gedanken ab, springen, wie die Gummibären in dem Comic, ohne dass wir einen Saft getrunken haben. Wir flüchten, weil die Nacht schon unsre Eltern schluckte, und wir nicht wollen, dass uns jetzt der selbe Stoff berührt, der sie zu solchen fremden Menschen machte. Der sie in die Röhrenrutsche schubste, wo man bloß noch hin und hergeworfen auf den Ausgang warten kann. Wo einem von den Richtungswechseln schlecht wird, und man irgendwann die Augen schließt, um irgendwie noch durchzuhalten. Wir flüchten davor. Ein paar schnelle Wörter am Gürtel, und ein dick beschmiertes Butterbrot in unseren Gedanken, das wir auf die Schnelle essen werden, falls das Ende näher kommt.

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (31.05.18)
Hallo Inleines,

das Altern. Die vorgegebenen Wege, denen man so schlecht ausweichen kann, diese Verfremdung durch die Zeit - ein rasanter Text, den ich mehr genossen habe, als man dem schwierigen Thema zutrauen würde, eine Flucht, der ich sehr gern gefolgt bin.

Besonders gut gefällt mir der Schluss.

Wir flüchten davor. Ein paar schnelle Wörter am Gürtel, und ein dick beschmiertes Butterbrot in unseren Gedanken, das wir auf die Schnelle essen werden, falls das Ende näher kommt.

Was sollen wir auch sonst machen?

Liebe Grüße

Isaban
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