Absolution

Kurzgeschichte zum Thema Terror

von  RainerMScholz

Die schwarze Strumpfmaske über dem Kopf, laufe ich die Flanierzeile der glitzernden Stadt hinunter. In meiner Hand funkelt matt die halbverschossene Luger, den abgeschnittenen Frauenkopf halte ich den Menschen blutig entgegen - sie sollen verschwinden, sie sollen mir aus den Augen gehen, sie sollen mir aus dem Weg, und mich in Ruhe lassen.

Das gleitende Neonlicht blendet mich, ich dachte, es sei helllichter Tag, doch es ist Nacht. Scheinwerfer tasten durch das Dunkel, Schreie gellen in meinem Kopf, wilde Augen stieren mich hasserfüllt aus schillernden Pfuhlen heraus an.

Sie war nur eine Kassiererin in einer Großmarktfiliale, doch ich nahm ihren Kopf. Ich schoss ihr in die Brust, ihr Körper explodierte stückchenweise blutspeiend und sank in sich zusammen. Ich trennte ihren Kopf vom Rumpf mit einem großen Messer und hielt ihn hoch. Die Menschen wichen zurück. Ungläubiges Entsetzen schwitzte aus allen Poren der Stadt, lachte schallend von den Wänden wider, brandete an das Innere meiner Zellen. Warum verstehen sie die vulgäre Existenz ihrer eigenen Grausamkeit und Scham nicht? Ich schnitt ihren Kopf ab und präsentierte ihn der Menge. Sie sahen nicht. Sie sahen nicht! Die Säge ist das Gesetz. Sie hätten es doch wissen müssen. Es ist doch das ihrige. Ich erschoss sie alle. Sie glaubten es immer noch nicht. Nein, das taten sie nicht. Und dann war es gleichgültig.

Es wird schnell kälter, das blaue Licht droht mich einzuholen. Ich tausche das Magazin der Waffe aus. Diese Kälte, dieses blaue Starren der Reglosigkeit verbrennt meine fiebrige Netzhaut. Auf den Dächern werde ich die Nähe des Himmels finden, die mir Trost verspricht. Das unerbittliche Nichts des Alls, ich will es trinken, in mich aufnehmen, es absorbieren, ich muss eins werden mit dem blauen Schwarz der ewigen Kontinuität eines leeren Universums; das unendliche, gleichgültig Vergessen pulsierende Herz soll mich verschlingen. Es ist so kalt hier oben, die Einsamkeit ist unermesslich. Die Absurdität der Monstren meiner Seele vibriert wie eine zum Zerreißen gespannte Saite gegen das Außen. Ich sende ein Gebet zu dem Gott, der das erschuf in Liebe. Dann küsse ich sie auf ihren klaffenden, toten Mund, nehme diese stumme Medusa wie meinen Schatz in die Arme und springe, die Luger unablässig abfeuernd, der aus winzig kleinen Menschen bestehenden Menge zu meinen Füßen entgegen.




© Rainer M. Scholz


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (09.02.22, 09:38)
Sehr schwülstiger Amokläufer*in-Monolog.
Adrian (47)
(12.02.22, 04:22)
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 RainerMScholz meinte dazu am 15.02.22 um 14:39:
Ob das gesund ist?
Gruß + Dank,
R.
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