Fridays for Future Demobericht, 29.11.2019, Landeshauptstadt Kiel

Kurzgeschichte zum Thema Politik

von  Koreapeitsche

Ich war am Freitag wie gewohnt am späten Vormittag im Café Mmhio. Da lief draußen eine Fridays for Future Rumpf-Demo vorbei. Ich ging mit einer kleinen Tasse Filterkaffe raus und sah kaffeetrinkend dem Protestzug zu. John kam raus und rauchte eine Zigarette. Es war ein recht kleiner Protestzug mit rund 200 Personen, eher junge Leute. John und ich gingen zurück ins Mmhio. Später fuhr ich mit dem Rad zum Wilhelmplatz, wollte nur im Vorbeifahren schauen, was dort los ist. Doch die Atmosphäre war wirklich gut. Sodass ich mit dem Rad auf den Willi fuhr und das Rad nach einer Weile schob. Ich suchte mir einen Platz, sah von dort in Richtung Menge, die zum Arndtplatz ausgerichtet war. Zwischenzeitlich hüpften die Demonstranten auf Kommando wie Pinguine. Wenig später zeigten sie rhythmisch die Transparente auf den Stöckern hoch. Plötzlich herrschte Aufbruchstimmung. Da sah ich zwei Polizisten und offensichtlich einen Offiziellen bei einer Gruppe Demonstranten, welche am Plakat als Zugehörige zur MLPD zu erkennen waren. Der Offizielle in einer Lederjacke, graubraun oder kackbraun, mit Sonnenbrille, fleischig und hellwach, kam mir von Anfang an seltsam vor. Er trug die Sonnenbrille permanent, auch später im Polizeiauto, und setzte sie auch nicht ab, als zum Ende der Veranstaltung dunkle Wolken aufzogen. Ich beobachtete den kleinen Aufmarsch mit den zwei Polizisten und dem Herren vom Ordnungsamt. Die Polizisten waren in meinem Alter, vielleicht sogar etwas älter. Der Offizielle circa 60 bis 65. Ich hielt mir eine Hand schützend über die Augen, wie ein Indianer, da die Sonne aus Richtung Südwesten schien, und beobachtete, was da vor sich ging. Der Offizielle hatte offensichtlich das Sagen. Es schien, als ob die MLPD Anweisungen oder Auflagen oder eine Belehrung erhielt, denn vom Sportplatz kannten die sich offensichtlich nicht. Die drei Herren, der Offizielle und die zwei Polizisten, gingen hoch zur Straße Richtung Niederdeutscher Bühne. Hier parkten mehrere kleine Polizeiwannen. Die drei waren im Begriff einzusteigen, als ich den Fleischigen fragte, was seine Funktion sei. Er sagte, er sei vom Ordnungsamt. Daraufhin sagte ich, „Sie erinnern mich an eine Personengruppe aus Ostberlin!“ Jetzt gab der Fleischige Auskunft. Als nächstes fragte ich nach seinem Namen. Er sagte Dewahl, mit Betonung auf der ersten Silbe. Da intervenierte sofort einer der Polizisten mit einer Art Funkgerätausrüstung: „Wie heißen Sie denn überhaupt?“ Ich beantwortete die Frage nicht. Ich fragte noch, „seit wann gibt denn das Ordnungsamt der Polizei Anweisungen?“ Die Schiebetür wurde geschlossen und die Wanne mit dem Kennzeichen SH-31537 fuhr davon. Der Demonstrationszug bewegte sich in Richtung Professor-Peters-Platz, machte an der Kreuzung einen Schwenk nach links. An der Ampel beim Designerküchenshop stand ein Friedrichsorter, der mal für die Linke im Landtag saß. Ich erzählte ihm die Geschichte mit dem Zip, der MAK, den Grünen und hey hey hey. Er filmte gerade den Demo-Zug, als ich ihn ansprach. Ich ging zusammen mit ihm fast bis zum Hasseldieksdammer Weg. Zwischendurch lief „Arschloch“ von den Ärzten. Es ging weiter den Hasseldieksdammer Weg entlang in Richtung Innenstadt. Ich ging das restliche Stück mit einer Kellnerin des Phollkomplex, die eine geöffnete Flasche Bier mit sich trug und in Party-Stimmung daraus trank. Richtig so. Zwischendurch wurde von einem kleinen Demo-Party-Wagen „Hier kommt Alex“ von den Toten Hosen gespielt. Da fühlte ich mich richtig wohl. Ein paar junge Leute machten ein Foto-Shooting, ein Gruppenfoto, als der Demo-Zug plötzlich stockte. Eine Mu-Studentin stand fotografierend auf einem Stromkasten an der Straße. Die Demo  lief bis in den Kronshagener Weg an der ehemaligen MiFo-Zentrale vorbei bis zur Kreuzung Knooper Weg. Von dort mündete sie auf den Exerzierplatz, der sich immer weiter füllte. Hier sah ich den Fleischigen nicht mehr. Oben am Knooper Weg parkten nebeneinander die Polizeiwannen, noch auf dem Exerzierplatz. Sie waren mit dem Bug in Richtung Sparkassenarena und Rednerbühne ausgerichtet. Die Rednerinnen und Redner gefielen, alles durchweg junge Leute. Einer stellte sich am Mikro als junges DGB-Mitglied vor. Es fanden leider keine Konzerte statt. Nach Auflösung der Veranstaltung sollten Aktionsgruppen gebildet werden, die kleine Proteste durchführen sollten. Neben mir lief jemand mit einer blauen Fahne vorbei, bei dem sich Teilnehmer einer Aktionsgruppe sammeln sollten. Ich fuhr zum Rewe am Knooper Weg. An der Kreuzung blieb ein Pärchen mit einem Kinderwagen stehen. Er rief: „Schau mal, die Linksradikalen!“ und blickte in Richtung Rewe-Markt. Hinter dem Fußgängerübergang vor dem Rewe-Markt hatte da schon eine Gruppe Demonstranten die Straße blockiert und ein großes Transparent ausgebreitet. Ich fuhr in Richtung Blockade und setzte mich vor der Kirche, in der Deutschlehrer Trautsch Gemeindearbeit leistet,  auf eine Bank, war jetzt gut 30 Meter von der Blockade entfernt. Zufällig lief ein Angela-Merkel-Doubel vorbei. Ein paar wenige Polizisten stehen bei den Blockierern. In Kiel scheint das  Ordnungsamt, Herr Dewahl, Kommandos zu geben. Er schwirrte hier wieder herum und verbreitete Unruhe. Es wird wohl wieder geräumt. Bei den Blockierern herrschte eine entspannte Atmosphäre. Plötzlich löste sich die Blockade auf. Da gab der Fleischige das Kommando an die hier versammelten Polizisten, in die Wagen einzusteigen. Weiter vorne, noch vor der Kirche an den Arkarden, stand eine ganze Reihe an großen Polizeiwannen, die wenig später langsam in einer Schlange durch den Jungfernstieg fuhren. Sie trugen Landeskennzeichen aus Sachsen und Meckpom. Alle fuhren, offensichtlich gut informiert, hoch zum Sultan-Markt. Die Polizisten saßen entspannt zurückgelehnt, wahrscheinlich sediert,  in den Polizeifahrzeugen. Ich beugte mich vor und schaute auf die Hoheitsplakette auf dem Nummernschild eines der Fahrzeuge. Ich las, dass SN für Sachsen steht. In früheren Zeiten wären die Polizisten in den Wagen ausgeflippt und hätten hinter verschlossenen Seitenfenstern nicht hörbare, hämische Kommentare gemacht. Deshalb glaube ich, dass sie an diesem Tag sediert waren. Am Arndtplatz stand eine Straßensperre. Zwei Polizisten blockierten mit dem quergestellten Auto die Straße und wollten offensichtlich niemanden durchlassen. Ich setzte mich auf eine der nahen Metallbänke. Die zwei Polizisten ließen plötzlich ein Pärchen in einem SUV durch, während alle anderen abgewiesen wurden. Das missfiel mir. Wenig später ging ich zu den Polizisten und wollte erfragen, weshalb sie den SUV-Fahrer durchgelassen haben. In dem Moment kamen zwei NDR-Mitarbeiter an der Straßenblockade vorbei. In dem Moment, als ich die Polizisten fragte, weshalb sie den SUV-Fahrer haben passieren lassen, riefen mir die zwei NDR-Mitarbeiter etwas entgegen, was ich nicht verstand. Da schrie mich der hochgewachsene Polizist entgegen: „Wer ist der Schönste hier?“ Ich antwortete „Sie natürlich.“ Er wollte das aber bestätigt wissen und fragte erneut: „Wer ist der Schönste hier?“ Er behauptete später, der SUV-Fahrer sei Anwohner, das habe er sich mündlich bestätigen lassen. Doch plötzlich eskalierte die Sache. Ich wurde aufgefordert, die Straße zu verlassen. Der zweite Polizist blockierte mich mit der rechten Schulter und versuchte mich wegzuschieben. Die Sache eskalierte. Es wirkte wie kurz vor einem Warnschuss. Ich habe keine Erinnerung mehr an den Gesprächsinhalt. Sein Kolt war auf der Höhe meines Schambereichs. Es wirkte so, als würde er mich zurückhalten. Das sahen ein paar wenige Passanten, vielleicht 15 Leute. Danach riss ich mich fort und ging ich hoch in Richtung Sultan-Markt, wo eine weitere Blockade stattfand, kaufte im Sultan-Markt arabisches Vollkornbrot, erhielt auf Nachfrage gratis einen Keks an der Kasse, wo sich zwei Frauen unterhielten und Kekse naschten. Draußen kam wohl schon die „Aufforderung zur Auflösung der Blockade“. Direkt am Einsatzort waren nur Polizeiwannen mit SH auf dem Kennzeichen zu sehn. Die aus SN und MV weiter hinten waren wohl Reserve. Die Polizisten standen in einer Reihe über die gesamte Straße. Der SUV-Fahrer war nirgends zu sehen. Er hätte kaum irgendwo parken können, denn am Freitagnachmittag war hier wie gewohnt alles dichtgeparkt. Sogar die Polizeiwannen mussten in zweiter Reihe „einparken“, da hier ohnehin überall wild in zweiter Reihe geparkt wurde. Das hätte bei einer Eskalation Chaos auslösen können. Während das Ordnungsamt dies Wildparken in zweiter Reihe an den neuralgischen Punkten toleriert und ignoriert, gibt  es selbst Anweisungen an die Polizei an ebendiesen neuralgischen Punkten und anderswo. Wahrscheinlich ist Herr Dewahl nebenbei Vorsitzender des ADAC-Ortsverbandes Kiel, wenn es so etwas gibt. Der Fleischige vom Ordnungsamt war auch hier der Befehlsgebende. Als die Blockieren aufbrachen, gab er schlussendlich das Signal zum Abbruch der Polizeiaktion, woraufhin die Polizisten irgendwie konsterniert und desiorientiert wirkten und unbeabsichtigt temporär den Radweg für Fahrradfahrer blockierten. Herr Dewahl vom Ordnungsamt hingegen fuhr mit dem Polizeiauto mit dem Kennzeichen SH-31537, in das er durch die Schiebetür hinten einstieg, den Protestierenden hinterher. Ich saß immer noch auf der Metallgitterbank an der Bushaltestelle. Die anderen Polizisten standen jetzt unmittelbar neben mir und wirkten verwirrt, unterhielten sich auch nicht. Ich sah auf ihren Ärmeln mehrere mir unbekannte Hoheitszeichen, die von Farbe und Form aussahen wie eine Mischung aus Zypern-Patch und Antifa-Emblem.  




Anmerkung von Koreapeitsche:

Demobericht Kiel 29.11.2019: Der Demobericht entstand aus einem Tagebucheintrag, der während & nach der Fridays for Future Demo erstellt wurde.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (20.06.22, 09:48)
Was soll dieser grob inflationäre Gebrauch des Et-Zeichens bedeuten?

 Koreapeitsche meinte dazu am 20.06.22 um 10:17:
Das Kaufmanns-Und? Das hatte ich mir mal aus Zeit- und Platzgründen angewöhnt. Sprache neigt ja zu Redundanz, nicht nur bei SMS- und Chat-Texten.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 20.06.22 um 14:07:
Für schnelle Notizen mag das angehen, aber für einen Text, der gelesen werden möchte ist das einfach schlechter Stil. 

Redundanz ist übrigens was ganz anderes.

 Koreapeitsche schrieb daraufhin am 20.06.22 um 17:03:
Redundanz ist eine physikalische und mathematische Formel.
Viele Grüße

 Koreapeitsche äußerte darauf am 21.06.22 um 08:34:
Ich habe das Et-Zeichen jetzt durch "und" ersetzt.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 21.06.22 um 09:16:
Jetzt ist der Text viel besser.

 RainerMScholz (25.07.22, 15:55)
Die Polizisten saßen entspannt zurückgelehnt, wahrscheinlich sediert,  in den Polizeifahrzeugen.
...super!
Grüße,
R.

 Koreapeitsche meinte dazu am 25.07.22 um 19:01:
Danke Rainer. Gruß zurück. :)
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