Übrigbleiben

Gedicht

von  miljan

Am Leben sein bedeutet übrigbleiben

und wissen, was ein andrer nicht mehr weiß.

Das, was man teilte, lässt sich kaum beschreiben.

Selbst tausend Worte geben es nicht preis.

Zwar finden wir bisweilen etwas Trost,

wohlwissend, dass auch tote Sterne funkeln,

doch meistens fehlt die Hand, die uns liebkost

und uns ein kleines Licht hinhält im Dunkeln.

 

Kein Wort, kein Anfang und kein Weitergehen,

erst mit der Zeit wird eine Trauer klein,

doch nichts macht einen Abschied ungeschehen.

Wie unerträglich kann das Warten sein.



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Kommentare zu diesem Text


 Terminator (18.07.23, 00:08)
Klasse Comeback. Vielleicht sogar dein bestes Gedicht.

 Graeculus (18.07.23, 00:20)
Wer weiß, was die Toten wissen?

 AlmaMarieSchneider (18.07.23, 02:16)
Wie unerträglich kann das Warten sein.
Nein, nicht warten. Man muss leben.


Herzlichst
Alma Marie

 Rosalinde meinte dazu am 18.07.23 um 07:12:
Hallo Miljan,

ein gutgebautes, durchdachtes Gedicht, das mich freute, es lesen zu dürfen. 

Ich lerne es jetzt kennen, das Übriggebliebensein. Jeder wünscht sich ein langes Leben. Und wenn es Wirklichkeit wird, bedauert man, zurückgelassen zu sein. Meine Toten bleiben ewig jung. Wir waren die Generation, die eine neue Welt aufbauen wollten. Doch heute denke ich mir, es ist gut, dass sie die Gegenwart nicht mehr erleben mussten. Heute hätten wir sie bitter nötig.

Rosalinde

Antwort geändert am 18.07.2023 um 07:13 Uhr

 AchterZwerg antwortete darauf am 18.07.23 um 17:03:
Gern schließe ich mich hier Alma an: Das Warten selbst ist oft das todbringende ...

Liebe Grüße
der8.

 Saira (18.07.23, 10:06)
Hallo miljan,

dein Gedicht berührt mich sehr!

Herzliche Grüße
Sigrun
Taina (39)
(18.07.23, 10:41)
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 Janna (18.07.23, 16:41)
Sehr schön und berührend. Der erste Vers ist einer, über den man besonders im Alter oft nachdenkt und wenn man es nicht tut, schmerzhaft daran erinnert wird. Das kann mitunter beängstigend sein.
Schön, dieses nachdenkliche und ausdrucksvoll beschriebene Gedicht hier lesen zu können!

Liebe Grüße

Janna
Agnete (66)
(18.07.23, 19:26)
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 Dieter Wal (19.07.23, 16:38)
Erinnert mich stilisch an Heinz Kahlaus Gedichte. Und das meine ich keineswegs im epigonalen Sinn abwertend, sondern als höchstes Kompliment, denn immerhin ist Kahlau ein würdiger Brechtschüler und in meinen Augen bedeutender DDR-Lyriker.

Wunderschönes Gedicht über Trauer. Sie bewegt sich in Wellen, doch nimmt im Lauf der Jahre glücklicherweise ab. Kennst Du bereits die vier Trauerphasen nach Verena Kast? Ich schenke sie immer Klienten in Form einer bebildeten Karte, nachdem ich eine Trauerrede für sie hielt. ALLES GUTE!

 miljan schrieb daraufhin am 19.07.23 um 16:47:
Vielen Dank für deinen Kommentar. Tatsächlich war es Heinz Kahlau, über den ich erstmals mit Lyrik in Kontakt kam. Wenige Jahr vor seinem Tod schrieb ich ihm einen Brief mit einem aus heutiger Sicht miserablen Gedicht, in dem ich ihm für seine Texte dankte. Wenn sich heute durch eines meiner Gedichte jemand an ihn erinnert fühlt, freut mich das daher ganz besonders. Das Phasenmodell von Verena Kast kenne ich, aber ich danke dir nichtsdestotrotz für den Hinweis.

Liebe Grüße

 Dieter Wal äußerte darauf am 19.07.23 um 19:35:
Dann traf ich es 100% intuitiv. Wie schön! Von Verena Kast las ich einige Bücher. Sie schreibt bemerkenswert.
Teolein (70)
(19.07.23, 16:43)
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