MGTOW-Narrative II: Incels

Grotesk-Zeitkritisches Drama zum Thema Lieblosigkeit

von  Terminator

Du bist unattraktiv für Frauen, weil du schüchtern oder klein oder arm oder schwarz oder Inder bist oder schwul aussiehst.




All das wird zusammengefasst zu den Incels (involuntary celibates). Im Gegensatz zu den MGTOW wollen die Incels Beziehungen eingehen, aber Frauen wollen sie nicht. Die MGTOW grenzen sich auch stolz von den Incels ab, und geben sich ordentlich Mühe, zu beweisen, dass sie wirklich nicht wollen. Aber Gelegenheit macht Triebe. Erst wer die Möglichkeit hat, weibliches Interesse zurückzuweisen, ist überhaupt in der Lage, herauszufinden, ob er ein echter MGTOW oder "nur" ein Incel ist. Da auch die meisten MGTOW diese Möglichkeit nicht haben (durch vorauseilende Selbstisolation), existiert der Unterschied zwischen MGTOW und Incels nur formal.


Überraschung: viele Frauen mögen schüchterne Männer. Es gibt also keine shycels. Bei Körpergröße sind Frauen nur in der Theorie (oder in künstlichen Ultrakonkurrenz-Biotopen wie Tinder) sehr wählerisch, ansonsten kommen auch die kurzen Männer nicht zu kurz. Aber die Incels unter six feet tall nennen sich shortcels. Geld spielt zwar immer eine Rolle, aber ist es nicht so, dass die Incels besonders wütend werden, wenn sie von armen ausländischen Männern (fuckboys) ausgestochen werden? Doch arme Incels nennen sich poorcels. Es gibt Rassismus, aber es ist auch Tatsache, dass schwarze Männer von allen "Rassen" neben Weißen am attraktivsten sind. Es gibt also auch keine blackcels. Und die Inder? Ja, südasatische Männer haben besonders in den USA, wo alle Ethnien vertreten sind, und um die weißen Frauen konkurrieren (die meisten US-Amerikaner sind immer noch weiß), durchaus das Nachsehen. Aber wiederum befinden sich ethnocels in einer künstlich hergestellten Ultrakonkurrenz-Situation. Was ist mit "schwul aussehenden" Männern? Kommen sie automatisch immer in die friendzone? Allein dieses toxische Wort ist unausstehlich, weil es Freundschaft zwischen den Geschlechtern vergiftet. Wenn schwule Männer für Frauen oft besonders attraktiv aussehen, ist der Begriff gaycel doch ein Selbstwiderspruch.


Wo ist also, verflucht nochmal, das Problem? Warum kriegen manche keine ab? Weil sie unattraktiv sind. Aber nie aus einem einzigen Grund. Wer krank, entstellt, behindert oder hässlich von Natur ist, der hat wahrlich mit seinem Schicksal zu hadern: auch diese Menschen haben ein Bedürfnis nach Zweisamkeit, Paarbeziehung und Sex. Und wer regt sich darüber auf, dass solche Menschen automatisch nie als Partner in Betracht kommen? Incel, check your privilege!


Bevor ich die MGTOW und die Incels überhaupt kannte, in meinen frühen 20-ern, hatte ich das gleiche Problem. Keine Frau wollte mich! Ein Skandal, aber keine von diesen Frauen, deren Körper wie mit Photoshop bearbeitet und deren Gesichter wie mit morphthing.com perfektioniert aussahen, ging jemals auf mich zu und fragte mich nach einem Date! Und ich tat so, als würde ich das Offensichtliche nicht sehen: ich wollte entweder perfekte Schönheit oder nichts. In meinen späten 20-ern war mir Nichts schließlich gut genug, ich war Mystiker und Eremit. Ich dachte einfach, dass eine schöne Frau später (nach dem Tod) ein Teil jener Glückseligkeit sein würde, deren Würdigkeit jetzt (in diesem Leben) zu beweisen war. Ich musste einfach ein Leben lang warten, das ist alles. Problem gelöst.


Dann kamen die MGTOW-Youtuber, und ich fand es als Weiningerianer einfach angenehm, jemanden so wie ich selbst mit 23 reden zu hören. Herrlich depressivistisch, nihilistisch, und nur bei übertriebenem Selbstmitleid schaltete ich weg. Weil ich keine Chance auf eine Schönheitsprinzessin hatte, beschloss ich, dieses Leben allein zu verbringen. Wohlgemerkt, wollte ich nicht einmal eine Chance (mit der einherginge, etwas dafür zu tun), ich wollte, dass sie mich selbst aufsucht, weil sie (die schönste vorstellbare Frau) mich um meiner selbst willen liebt. So hoch waren meine Ansprüche. Damit ging aber keine Anspruchshaltung einher: ich dachte nicht, dass die Welt oder Gott mir dieses Glück schuldig sei. Es war nur so, dass ich als perfektionistischer Leistungsmensch dachte, dass es wenigstens in der Liebe nicht um Leistung gehen sollte, sondern um ein bedingungsloses Geschenk.


Was die Incels angeht: die Anspruchshaltung ist das Problem, selbst bei bescheidenen Ansprüchen. Sobald du denkst, dass das, was du begehrst, dir geschuldet wird, bist du auf einem Irrweg. Und mit der Bescheidenheit der Ansprüche wird die Anspruchshaltung nicht gerechtfertigt, sie wird damit nur entschuldigt. Wenn nun etwas zu hohe Ansprüche zu einer grundsätzlichen Anspruchshaltung (bei Nichterfüllung: Opfermentalität) dazukommen, entsteht immer Misserfolg. Nicht die anderen oder die Umstände sind schuld, sondern die Schuldsuche bei den Umständen oder den anderen.


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