Der unsichtbare Retter

Text zum Thema Abenteuer

von  baujahr71

Der Morgen begann für mich so gegen 15 Uhr auf einem Leopardenfell neben dem Kamin. Ich tat so, als ob ich noch schliefe - das war ein eingespielter Trick, der mich schon vor vielen Peinlichkeiten gerettet hatte.

Man konnte so schon die Hälfte der organischen Sensorik einsetzen, um wieder ein Gefühl für Raum und Zeit zu bekommen. Zunächst strengte ich mich jedoch olfaktorisch an, das war nicht schwer, es lagen Schwalle von Vanille (war es Zigarrenrauch?) in der Luft, dazu noch eine strenge Note Biergeruch - ok, das reichte mir schon, um die Erinnerung vorm Einnicken zurückzuholen: Irgendjemand schleppte mich also zu dieser Party, ich kannte niemanden hier, auch nicht meinen Begleiter. Aber so ist mein Leben: beliebig, spontan, unverbindlich, überschwänglich, hungrig. Mir ist egal was passiert, ich habe nur einen wirklichen Feind: die Langeweile.

So fiel es mir auch nicht schwer, mich in sein Auto zu setzen, die Fahrt durch die Häuserschluchten zu erleben, das Nachziehen des Lippenstiftes bei 100km/h, danach die Gänsehaut beim Aussteigen in die Kühle der Tiefgarage, das nickende Grüßen der Sicherheitsleute beim Aufzug, ein geheimnisvolles Bing, als mein Begleiter seine Club Card an den Leser hält, der immer stärker werdende Druck im Ohr während der Fahrt in den Neunundneunzigsten und schließlich der Sound aus den Boxen des DJs, der mich vollkommen einhüllte, als sich die Schiebetüren den Fahrstuhles öffneten.

 

Würden die Leute hier mein wahres Ich kennen, so wäre ich tot. Nicht im übertragenen Sinne, nein, ich wäre wirklich tot. Sie würden mich jagen und zur Strecke bringen, bisher gelang das Niemandem, ich bin ein Meister, mein Pokerface ist unerreicht und heute sollte ich hier meinen größten Coup landen. Das wusste ich zwar noch nicht, aber bereit war ich zu jeder Zeit.

Meine Stärke ist die Ablenkung, mein Gespür liegt darin, den passenden Augenblick zum Zuschlagen zu kennen, meine Finesse hat mich immer vor Fehlern bewahrt, meine Skills sitzen - so wie das rückenfreie Schwarze, welches ich trage.

Inzwischen hatte ich genug Peilung über die Lage zusammengetragen: der Senator würde bei Zeiten in seinem Brandy ertrinken, seine Speichellecker waren schon ausreichend durch die anwesenden Damen abgelenkt, es gab wenig Security hier oben, die Tür zu seinem Büro stand angelehnt, ich konnte dahinter die grüne Schreibtischlampe von Tiffany’s erkennen, solche Typen haben immer diese Lampen, das ist so verlässlich wie die übrige Einrichtung, die jetzt dahinter folgte: Sideboard, darüber an der Wand das Bild, meist vom Vater oder noch schlimmer, und dahinter verbarg sich...

 

Ja, da lag mein Begehr, und ich würde keine Schwierigkeiten haben, den perfekten Zeitpunkt zu finden und routiniert bin zum Zahlenschloss vorzudringen - doch Nein, es war kein gewöhnliches Schloss, man solle einen Dollar einwerfen um es zu öffnen.

Ein raffinierter Plan, doch nicht für mich. Und so löse ich den einzigen Knopf an meinem Kleid, taxiere ihn und fand ihn würdig, dieses letzte Hindernis zu nehmen.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (27.01.24, 17:04)

Aber so ist mein Leben: beliebig, spontan, unverbindlich, überschwänglich, hungrig. Mir ist egal was passiert, ich habe nur einen wirklichen Feind: die Langeweile.



Nicht gut. Show, don't tell!!!
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram