...Kotzi löst im Städtischen Theater eine Havarie aus...

Erzählung

von bratmiez

Er sagte noch, daß er keine Sahnetorte vertragen würde, als ihm Oma Inge ein großes Stück, von einer besonders leckeren, auf den Teller balancierte. Dieses Mal fiel es auf die linke Seite. Kotzis Omi ist eine kleine, zierliche Frau mit zittrigen Händen. Ihre schulterlangen, schneeweißen Haare trägt sie stets offen. - Eine umwerfende Frau, mit den schönsten Lachfalten der Welt.
Es war ihr 86. Geburtstag, Kotzi aß brav seinen Teller leer und trank ihren selbstgebrühten Kaffee literweise hinterher.

Um 19:30 Uhr waren wir verabredet. Unser Treffpunkt ist immer die Tram-Haltestelle vor dem Aldimarkt. Kotzi war überpünktlich. Er sagte mir hyperventilierend, daß heute sein großer Tag sei. Fünfzehn Stationen hatten wir noch vor uns.
Die Party sollte bei Hendrik stattfinden. Ich spürte sofort, daß irgendetwas nicht so war wie immer. Er quasselte und quasselte. "Hendrik" war jedes zweite seiner Worte.
Seine Augen waren gläsern, als er kurze Zeit später seinen Redefluß unterbrach.
Er hatte sich verliebt, endlich wieder verliebt, dachte ich.

Sein Schweigen wurde immer lauter, er krümmte sich, als hätte er unendliche Schmerzen. Dann kritzelte er etwas auf den Fahrschein und trank dabei einen halben Liter spanischen Rotwein. Allmählich machte ich mir Sorgen und fragte ihn was los sei.
"Lactose-Intoleranz" stand auf dem kleinen Zettel, welchen er mir, mit seinen schweißnassen Händen, auf den Schoß legte.
Ich wußte, was dies bedeutete: Kotzi hatte wieder einmal in die Buxen gemacht. An der nächsten Haltestelle stürzte er, wie vom Reißverschluß eingeklemmt, aus der Straßenbahn und verschwand im Städtischen Theater.

Ich setzte mich auf eine der Eingangsstufen und wartete ganze 47 Minuten, bis dann irgendwann der Pausenton zu hören war. Menschenmassen stürmten aus dem Foyer und steckten sich hastig ihre Zigarillos an, eine Dame verteilte Werbezettelchen, eine andere verkaufte ihre Bockwürste und Heißgetränke. Als ich zwei betuchte Herren dabei beobachtete, wie sie "dezent", in der angrenzenden Hecke, ihr "Geschäft" machten, wurde ich langsam sehr unruhig.

Wo war Kotzi?

Die Feuerwehr, ein Peterwagen und ein Rettungsarzt hielten im Eingangsbereich. Dutzende, gaffende Theatergäste versperrten mir die Sicht und ich konnte nur diese riesige "rote Suppe", welche in Strömen, aus dem Lüftungsschlitz der Herrentoilette hervorquoll, sehen. Eine Anwaltsgemahlin (die erkenne ich an den Fingernägeln) fiel sofort in Ohnmacht und ihre Freundin schrie permanent "Oh, mein Gott. Ohhhh, meiiiin Gott!"
Der Theatergong schellte, als der Hauptlöschmeister die Tür zur Toilette aufbrach und mein Kotzi den letzten Schwall Sangria, auf seine vollgeschissenen Buxen, katapultierte. Mittlerweile lagen ihm 13 gutaussehende Edelfrauen zu Füßen, weil sie glaubten, dies alles wäre Blut und bei "Blut" schickt es sich nun einmal umzufallen.

Kotzi sah aus wie ein Fleischer im OP, es stank bis zum Himmel und der Typ, der das Klo von seiner Verstopfung befreite, hielt meinem besten Freund das "corpus delicti" vor seine vollgekotzte Nase.
"So eine Sauerei!" äußerte er sich und wischte sich die letzten Speichelfäden aus dem Gesicht.
Dann zog er sich die Hose hoch und verließ schreiend dieses antike Gebäude. Kotzi hatte noch nie einen guten Sinn für Navigation, deshalb landete er nicht auf der Straße sondern mitten auf der Bühne des Schauspielhauses. Und er schrie immer noch. Einer der Darsteller kam auf ihn zu. Er nestelte an seiner Hose und stöhnte. Kotzi gab noch ein letztes Seufzen von sich und fiel nun auch zu Boden.
"Wie ist dein Name, mein Retter?", raunte er ihn von unten zu.
"Hendrik."

"Hendrik?" - wie durch Zauberei sah er mir plötzlich in die Augen, sprang auf, zog mich zur Straßenbahnhaltestelle und fragte mich nach der Zeit.
Sieben Minuten später waren wir auf der Party und Kotzi verspeiste vier Stück Erdbeertorte mit extra Sahnehäubchen.

Nun ist es gerade 5:34 Uhr und mein Handy klingelt "Sturm". Er hat sich mit Hendrik in einer Hecke verfangen und sie können sich nicht mehr befreien. Als Anhaltspunkt für seinen Standort gab er mir den Mond an.

Sein großer Tag, hehe.

Ich mach mich dann mal auf die Suche...

Anmerkung von bratmiez:

Zitat Kotzi:
"Du mußt das wieder "rot" reinsetzen, sonst erlaube ich es dir nicht, ha!"

Was wäre meine Welt nur ohne ihn?

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Kommentare zu diesem Text

GillSans (07.08.06)

BRATMiEZ....also ich weiß wirklich nie so richtig ....was ich von dir halten soll.....
aber deine Worte sind echt der Schocker....ich les die total gern...aber meistens lach ich mich doch weg....wie hier auch über Kotzi....was aber eher tragikomisch ist...oder so...hihi...herrlitsch! Gruz Gill

bratmiez meinte dazu am 07.08.06:

halt dich fest: dat is tatsächlich passiert, hehe. und noch wat: ich bin glücklich über deine worte über meine worte, joa.....danke! ;o)

Lachmalwieder (43)
(07.08.06)