post Theater

Gedanke

von  Elén

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Zugegeben: „Evita“, dachte ich, neurotischer Theatergeher, Theatersitzer, Theatersüchtiger, Theaterkonsument, Besessener und, es gruselte mich ein wenig über der Tatsache, dass die - sagen wir - ‚heilige Kuh’ doch bereits bis zur Unkenntlichkeit von der Kunstszene, von Gewerbe- und Wirtschaftstreibenden entstellt, kommerziell erschöpft, tausend mal inszeniert, vertont, vertextet, bejubelt, auf Platten, Teller, Kissen gepresst, in Münzen gestanzt, auf Hemden gedruckt; Fähnchen, Bildchen, Poster, Plakate auf Litfasssäulen genietet; und ich dachte: a näh, und konnte am Ende doch nicht widerstehen mir anzusehen was die moderne Verkitschung noch herzugeben hat. Ein bisschen reserviert dennoch angestachelt vom Kult um irgendwen, angezogen von dieser immerwährenden Inbrunst, die scheinbar nicht mehr zu tilgen ist aus einer Geschichte, dieser ausweglosen Geschichte die die Welt geschrieben hat, die die Welt bewegt, ergriffen hat.

Und ich habe dort gesessen im sommerschwülen Bauch eines Chamäleons vor einem Altar ‚María Eva Duarte und Juan Domingo Perón’, der sich mit der Zeit mehr und mehr als ironischzärtlicher Seitenhieb entpuppte, einen neue Horizont auftat, Themen kreuzt, noch einmal vermochte, Menschen in den Bann zu ziehen über den Figuren; und: zugegeben, bei diesem meinem übermüdeten, erschöpften Abend hat mich unverhofft und unbedingt das Stück ergriffen und, zugegeben: nachhaltig beeindruckt. - Weshalb schreibt ein allzu gewöhnlicher ‚Straßenmensch’ bei seiner emotionalen Verirrung einen Brief an ein Theaterhaus? - Entweder seiner Entrüstung, einer Empörung wegen, die ihm den Appetit verleidet, den gesegneten Schlaf raubt, die Moral verhunzt oder einer emotionalen Verzückung wegen, die er scheinbar nicht anders zu bewältigen vermag, als sich einen Stift zur Hand zu nehmen und zu versuchen sich darüber zu ordnen. Ach!

So viele Bühnen, Theaterhäuser sind doch schon ein wenig ruiniert an der Verkopfung, an der Verbissenheit und an dieser barbarisch intellektuellen Verkrampfung,- seit Kant, seit Hegel, seit der Zeit, da der gestirnten Dichter und Denker Einzug gehalten hat. Die deutsche Sprache ist belastet, überlastet an analytischen Verspachtelungen, an Hypothesen, an Denkansätzen, die die Welt nicht braucht; der Theaterbesucher wird seine Schwermut, seinen Alltag selbst über dem Schauspiel nicht los, sieht sich genötigt, sich und seiner gesamten Peripherie zuwider zu bleiben wo ihn seit langem nichts mehr zu betreffen vermag; man sitzt oft: und schaut Theater, aber, weder kann einer sich darüber vergessen, noch hat der Besagte das Gefühl, bewegt, geschweige denn entfesselt zu sein.

Das Theater das ich gesehen habe ist inspiriert, ein Aufruhr: Leidenschaft, eine Unmittelbarkeit Leben, die dem Zuschauer weder ausweichbar noch absehbar ist; Lebendigkeit, getragen von Charme und von feiner Ironie, die der Sensible verträgt, die der Mensch über der klinisch pathologischen Langeweile, über seiner Hoffnungslosigkeit, über Gram und Verzweiflung doch sucht!; diese menschlichen Elemente derer er doch so notwendig bedarf. Dieses Ensemble bringt in einer Bühnenarbeit zustande, was, wenn man genau hinsieht, allzu wenigen tatsächlich gelingt, nämlich, eine Geschichte so zu erzählen, eine Geschichte, die einer ja bereits zum Erbrechen oft gehört, gesehen, verstanden hat, eine Geschichte so zu erzählen, dass sich dem Zuschauer völlig neue Dimensionen erschließen; was das Metier der Kunst, den Dialog, die Begegnung mit der Bühne betrifft, das muss am Ende den Zuschauer in irgend einer Art und Weise betreffen, und, das tut es: er erfährt sich in einer Hingerissenheit, in einer Nachdenklichkeit und Versunkenheit, die nur das Kind mehr zu kennen scheint in unserer gemahnten Zeit; einer Hingerissenheit, die die Schwester der Begeisterung ist und die wir doch alle so fatal suchen, diese Seligkeit, dieses kleine Glück im Aufgang an der Sache.

Es schrieb: einer aus dem
‚Hemdlosen Volk’ der großes Theater sah -



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Kommentare zu diesem Text

jovanjovanovic (61)
(28.07.07)
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minze (21)
(28.07.07)
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 Elén meinte dazu am 28.07.07:
Hab Dank fürs Lesen; - ich denk drüber nach;

lg Dir,
A.
jovanjovanovic (61) antwortete darauf am 28.07.07:
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The_black_Death (31)
(28.07.07)
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jovanjovanovic (61) schrieb daraufhin am 28.07.07:
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 Theseusel (30.07.07)
Das eigentliche Theater fängt erst nach dem letzten Vorhang an ... der Stoff scheint nachhaltig und vielleicht hat jemand seine Liebe für E-Vita (wieder)entdeckt! Das "Chamäleon" ist ein Verwandlungskünstler ... der "Gedanke" ist gut beschrieben finde ich! Gerd
zackenbarsch† (74)
(06.08.07)
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 Reliwette (09.01.08)
Jovi, Deine Aufforderung kommt etwas zu spät für mich, denn ich bin in all dem Wirrwarr auf kv erst jetzt auf Dich, Elèn, aufmerksam geworden.Wir müssen uns wohl von dem Gedanken verabschieden, dass jene Autoren/Innen "starke" Texte publizieren, die am meisten aufgerufen werden.
Das eine scheint mir mit dem anderen nichts zu tun zu haben.

Au weia, die Theaterbetriebe, Schauspielhäuser, Neuinszenierungen, Stopfkarten, Subventionskultur : eine Palette von Themenbereichen. Bayreuth: Wagnerfestspiele, A, B, C, D - Prominenz im "Dunstkreis der Hochkultur". Das ist nur noch durch das "Blöken der Lämmer" zu übertreffen.
Lohengrin Gott sei Dank nur eine Phantasiegestalt. Der würde blöd gucken, wenn er die alle sehen könnte - im Publikum!
Wahrscheinlich müsste er Autogramme geben, die anschließend bei e-bay versteigert würden.

Mir ist eine gewisse Leichtigkeit erhalten geblieben - deshalb kann ich das ganze Elend hier so locker formulieren - liegt wahrscheinlich auch an meinem Alter.
Ich bevorzuge private Kleinbühnen, deren Initiatoren und Schauspieler eigene Stücke schreiben, selbst inszenieren und mit viel Phantasie einen Riesenfundus, den sie nicht haben, ausgleichen.

Herzliche Grüße, Euch beiden!
Der alte Kunstmeister (Hartmut)
Vincént (19)
(04.07.10)
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