Venedig

Gedicht

von  Erebus

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Sie ist, wie man mir sagt, die Stadt der Liebe
und dient wie diese einem schönen Schein.
Sie gründet ankernd auf dem Grund der Triebe
und wer sich ihr verbündet bleibt allein.

Denn treulos ist sie, eine Stadt der Diebe,
hat allen Reichtum, alle Macht geraubt.
Voll List und Tücke führte sie die Hiebe,
doch ihre Füsse moderten entlaubt.

Es war Sankt Markus selbst, als Haupt auf Fahnen,
gestohlen, so, wie der Levante Blut.
Die Gier der Zehn brach unverhohlen Bahnen,
nahm ihren Bürgern Freiheit und ihr Gut.

Nun siecht die Stadt seit hunderten von Jahren.
Sie treibt verfaulend überm Watt dahin.
Ihr Trachten galt allein Gewinn und Waren,
versagt blieb ihr die Tiefe und ein Sinn.

Ich sehe statt der Gondel die Galeere.
Doch ist es eine Hülle, die da treibt.
Sie winkt mit leerer Geste über Meere
und flüstert Liebenden von dem, was bleibt.


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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (06.05.08)
Dein Gedicht hat auf mich die gleiche seltsame, zwiespältige Wirkung, wie sie auch etwas zu rote Schuhe haben. Ich mag Rot und rote Schuhe besonders, aber es gibt da einen recht auffallenden Farbton, der sofort meine Blicke lockt, der in seiner Leuchtkraft, in seiner Frechheit irgendwie fasziniert und den ich am eignen Fuß doch nicht ertragen könnte, obwohl ich vermutlich den gleichen Schuh an einem fremden Fuß insgeheim bewundern würde - oder tüchtig lästernd missbilligen - abhängig von meiner eigenen Tagesform, dem eigenen Selbstbewusstsein und Selbstverständnis.

Gut und faszinierend finde ich, wie subtil und gelungen du Liebeskummer, Bitterkeit, Weltschmerz und Vertrauensverlust in bunte, spannend erzählte, sogar objektiv lehrreiche Bilder gepackt hast, aus denen man viel Geschichtliches erfahren kann - eine Geschichtsstunde über Schein und sein, Politik, Macht, Verrat, über das "Über-Leichen-gehen" und geflossenes Blut, Gier, Fassade, Liebreiz und leere Hülle - im Grunde eine wirklich böse, beinahe hämische Abrechnung mit dem, was man einst begehrt hat, was man einst als höchstes Ziel und Glück ansah. Venedig sehen und sterben. Geschichte, Ruf und Antlitz Venedigs als Spiegelbild dessen, was LI in der Liebe sieht.

Spannend finde ich, wie du Venedigs Maske, dieses "mehr scheinen als sein" auch stilistisch durch die klischeehaft billigen, altbekannten, oft gehörten, viel belästerten Reime in diesem Gedicht darstellst. Da gehst du wirklich auf's Ganze, zeigst die dicke Schminke der Möchtegernlyrik, zelebrierst auf diese Weise das als "Trash" Verfemte gekonnt, um die Fassadenwirkung zu zeigen.

Liebe/Triebe/Diebe/Hiebe und so weiter - selten habe ich diese Zacken der Kitschlyrik so gekonnt krönend verwendet gesehen - halb begeistert mich die Frechheit, mit der du es tust, halb stößt mich diese Anhäufung ab - was im Nachgeschmack bleibt ist die Faszination, die wohl knallrote Schuhe, Liebe und Geschichten um ferne Orte, Ränke, Macht, Blut , Geld, Gier, Sex, Verrat und Verbrechen anscheinend immer auf uns haben werden.


Liebe Grüße,
Sabine
(Kommentar korrigiert am 06.05.2008)

 Erebus meinte dazu am 06.05.08:
Liebe Sabine

Oha und upps! Was für ein Kommentar!
Sozusagen als Repetitorin der Andersen'schen Roten Schuhe rufst du mir da etwas ins Gedächtnis zurück: ja, man sollte sich nicht jeden Schuh anziehen.
Jedenfalls bedanke ich mich ganz herzlich für deinen opulenten Kommentar, mit dem du dieses Stück "Alltagslyrik" wortreich zu ergänzen verstehst.

;-))

Liebe Grüße
Uli
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