Schwarzes Loch

Text

von  ZornDerFinsternis

Der Boden unter seinen Füßen ist wackelig. Der Raum von Schwärze erfüllt – niederdrückend. Kalt. Wie die Gedanken, die sich schmerzend; brennend; gewaltsam durch seinen Kopf fressen. Jeden Funken „Hoffnung“ verschlingen, wie eine Horde ausgehungerter Wölfe. Ausdruckslose Augen starren mich an, wenn ich es anblicke. Ein bleiches, trostloses Gesicht. Langes, wallendes, blondes Haar. Schwächliche Arme – narbenübersäht. Schwächliche Arme, die sich bis zu letzt an alles Vergangene, Verblasste und Überwundene geklammert hatten. Wie ein Ertrinkender. Verlorengegangen im Auf und Ab dieser beschissenen Welt. Einzelgänger. Einzelkämpfer. Hat das Schwert niedergelegt, das den Kampf um Rettung für es bestreiten sollte. Blicke wieder in die grünen Augen. Sein Blick fesselt mich. Sein Mund bleibt stumm, egal, wie laut es auch schreit. Sprechen braucht es nicht, der Blick erzählt seine Geschichte; die Narben lassen mich eine Geschichte voller Elend und Verzweiflung, wie aus einem offenen Buch lesen.

Der Boden schwankt. Blicke auf und sehe die enge Schlinge um seinen Hals, die sich langsam fester zieht. Der Winter zieht lähmend; alles „Frohe“ raubend, in den kleinen, verdreckten Raum. Wimmern und alte Ängste füllen den Raum. Sehe wieder in seine Augen. Tränen drängen sich auf das blasse Antlitz. Schneiden sich ins kalte Fleisch. Bahnen sich ihren Weg. Ich nehme meine Füße vom kleinen, schäbigen Hocker. Schließe meine Augen, um es nicht mehr sehen zu müssen. Kann das Spiegelbild nicht mehr ertragen. Habe so viel Verachtung noch nie zuvor in diesem Leben für etwas oder jemanden empfunden. Die rauen Fasern des Stricks schnüren sich um meinen Hals. Das Ende, das ich mir solange ersehnt habe ist greifbar nah. Nur die Bilder, die ich zu vergessen hoffte, schwirren in den letzten Minuten durch meine Gedankenwelt. Machen sogar den letzten Gang; die eine, letzte Reise, zu einem leidvollen Augenblick. Du hältst mich. Streichst durch die langen Haare. Dein Blick ist nur von Hass erfüllt – kein Zeichen; kein Anflug von Liebe. Du packst mich. Deine Hände überall an mir. Starrst mich an, mit deinen großen, dunklen Augen. Lässt mich nur Elend und Hass sehen. Nur Schmerzen und Leid erfahren. Dein Blick streift meine Augen. Doch die Tränen, die siehst du wieder nicht. Wendest den Blick ab von mir, bin zu wiederwertig, als, dass du es länger ertragen könntest, mich anzusehen. Starre unentwegt die weiße Wand an. Weine. Versuche mich aus deinem gewaltsamen Griff zu lösen; diesen Raum zu verlassen. Auch, wenn ich weiß, dass mich auch dann die Realität wieder einholen, und mich niederreißen, würde. Drückst meine Arme fest aufs kalte Bett. Hältst mich grob zurück – lässt mich nicht gehen; lässt mich nicht los. Will schreien, doch kein Laut bricht aus mir hervor. Will weg. Einfach nur weg. Doch kann mich nicht rühren; mich nicht bewegen. Habe Angst. Soviel Angst, wie noch nie zuvor… Hast dir genommen, was du wolltest. Hast immer schon bekommen was du wolltest; getan, was für dich, das Richtige war. Hättest du doch einen Funken Verständnis und einen noch winzigeren Hauch Menschlichkeit, oder Intelligenz, besessen, dann hättest du vielleicht gespürt, dass das, was du getan hast, nicht richtig; nicht schön; nicht gewollt ist. Und auch in diesen letzten Minuten die mir noch bleiben, drehen sich alle Gedanken um dich. Wieder steigt der Hass in mir auf. Der Hass auf dich, den ich immer an mir ausgelassen habe. Habe mich für das bestraft, was du mit mir gemacht hast. Hasse mich, für etwas, das du verbockt hast. Habe nie mehr ein „Leben“ gehabt. Nicht mehr gewusst, wie man lacht. Habe meinen Weg nicht mehr gefunden. Mein Hoffen; meine Liebe und meinen „Wert“ verloren. Sehe diese leeren, grünen Augen. Sehe die eisige Kälte, die sie tragen. Das Narbenkleid am Körper war der lauteste Schrei aus meinem Mund. Der verzweifelte Hilferuf, der in all dieser erdrückenden Stille untergegangen ist.

Sehe den Sommer vor zwei Jahren. Den kalten Stein, inmitten eines Meers aus Blumen. Stehe mitten in hunderter dieser rauen, kalten Steine. Von „Gott“ ausgelöschtem Leben werde ich umringt. Der Blick ruht auf den kleinen, goldenen, filigranen Schriften. Auf diesen zierlichen, winzigen Buchstaben, die von Vogeldreck, Laub und Regen bedeckt waren. Strecke die Hand aus. Berühre die raue Oberfläche. Zucke zusammen, so eiskalt ist mir geworden. Fange an zu weinen; kann die Tränen nicht zurückhalten, wenn ich an euch zurückdenke. Wenn ich an die schönen Momente zurückdenke. Auf unsere gemeinsam verbrachte Zeit zurückblicke. Vermisse deine Stimme. Deinen liebevollen Blick, der mich nie verachtend oder von Zorn und Hass besessen, einfing. Vermisse die Wärme, die Liebe, die mich; meinen ganzen leblosen Leib geflutet hat, als du mich schützend in deine Arme nahmst. Vermisse das Gefühl, jemandem etwas zu bedeuten. Nicht unnütz zu sein. Misse dieses Gefühl, dass es jemanden gibt, der bei mir ist. Und ich wusste in diesem Moment: „Ich bin allein“.
Es ist niemand da. Es ist egal, wenn ich heute nicht mehr aufstehen; nicht mehr zwischen all diesen toten Seelen mein „Leben“ bestreiten würde. Es wäre egal, wenn mein Weg hier endet und ich niemals mehr einen Fuß auf diese Welt setzte. Es würde niemanden interessieren. Es würde weder auffallen, noch irgendjemandem „Schmerzen“ bereiten. Ihr wart die einzigen Wesen, in diesem dreckigen, stinkendem Leben. Der Einzige Anlaufpunkt auf dieser erbärmlichen, verzweifelten Wanderung; in diesem aussichtslosen Kampf um „Anerkennung“ und Liebe. Ihr wart das Ziel meiner Reise. Odin hat euch mir genommen…

Stehe in diesem kleinen Raum, der nur von einem alten Schrank, einem entsetzlich hässlichem, runden Teppich und einem Holzbett „wohnlich“ gehalten wird. Du bist auch dort. Einen Kopf kleiner als ich. Lange Haare. Zierlicher als ich. Gefühlloser, hasserfüllter, verbitterter als ich. Küsst mich. Streichst durch die langen Haare. Und auch deine Hände sind überall. Fange zu Zittern; zu Weinen an. „Bitte lass‘ mich“, mehr schaffe ich nicht auszusprechen. Denke, du verstehst mich. Immerhin sind wir „nur“ „Freunde“. Dachte ich einstmals…

Vor dem Fenster ist alles weiß. Draußen tobt der Wind, peitscht dicke, weiße Flocken durch die schwarze Nacht. Stehe da. Fassungslos. Eiskalt, wie das Treiben, draußen, vor dem Fenster. Bin wieder allein. Du hast mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich habe dich mehr geliebt, als alles andere. Früher saßt du an meinem Bett, hast mir Geschichten erzählt. Nahmst mich mit in den Wald hinter dem kleinen Häuschen. Hast mit mir gespielt; soviele schöne Dinge in meiner Kindheit mit mir geteilt. Warst immer da, wenn niemand wollte, dass ich da bin. Hast mich liebgehabt. Dich um mich gekümmert. Als einziger… Höre wie damals; in jener Nacht, das Telefon klingeln. Hebe ab, wie von selbst… wie selbstverständlich. Lasse den Hörer fallen. Sinke unter Krämpfen, mit Tränen der Angst, der Fassungslosigkeit auf den Boden. Schreie. Weine. Schlage um mich… Kann nicht glauben; will nicht glauben, dass du fort bist. Kann ohne dich nicht mehr weiter. Kann diese Reise durch Tod, Angst, Hass, Verzweiflung, Kälte, Hoffnungslosig- und Lieblosigkeit  ohne dich nicht weiter bestreiten; kann sie einfach nicht fortsetzen….

Der Atem bleibt endlich aus. Pendle langsam durch die Luft. Hoffe darauf, dass mich dieser letzte Schritt, der mich von dir und euch trennte, endlich dem Vergessen in die Arme wiegt.


Anmerkung von ZornDerFinsternis:

"The whiskey bottle's almost empty
as well as the pack of smokes
Been awake for several days now,
haunted by the memories

My heart has become colder than this room,
long time since I felt joy or happiness
All of the roses you planted have lost
their touch and faded away

Thinking back on the good times we had,
when we would laugh
The wind blew in your hair as we
drove across the country

Not even all of the world's whores
can satisfy me anymore
I've lost the spark and light,
nothing to hold close to my heart

I keep staring at the chromed .45,
lying on the living room table
A moment of silence..."

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Kommentare zu diesem Text

Asvika (23)
(04.09.09)
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The_black_Death (31)
(05.09.09)
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