Abgeschlossen

Text

von  ZornDerFinsternis

Ich werd' mich auf den Weg machen. Auf eine Reise begeben, die lang und schmerzvoll sein wird. Die mich viel Kraft kosten wird - vielleicht mehr, als ich habe. Es wird beschwerlich, kalt und finster sein. Es wird herzlos und erbärmlich werden. Diese Reise, die ich in 24 Minuten, 13 Sekunden und einem viertel Burchteil eines Augenblicks, antreten werde, diese Wanderung nennt sich Leben. Bin bloß ein kleines, wertloses Etwas, irgendwo im stickigen Wanst, einer Frau mittleren Alters. 9 Monate habe ich hier gewohnt. War nicht willkommen. Ungewollt. Habe sie immer zu über mich reden hören. Dass ich verschwinden solle. Dass es besser sei, ich würde sterben. Zu spät hat sie von mir erfahren, sonst würde ich dies nicht berichten können. Geraucht und getrunken hat sie. Nächtelang geweint - wegen mir. Drei Kinder hat sie schon. Drei Jungs. Sie wollte immer Kinder. Vier. Vier Kinder wollte sie haben. Warum mich dann nicht? Warum hasst sie mich dann so? Warum? Ich werde ein Mädchen. Das allein ist der Grund. Sie wollte kein Mädchen. Sie wollte einen Jungen. Einen Jungen, der ich leider nicht bin. Aber, was kann ich dafür? Warum kann sie nicht anfangen mich zu lieben? Was habe ich schlimmes getan, außer, dass ich ein Mädchen werde?
Es ist eisig kalt. Ich erblicke das Licht der Welt. Grelles Neonlicht. Hände greifen nach mir. Ich höre mich schreien. Höre Stimmen. Diese Kälte ist so intensiv, dass ich glaube, erfrieren zu müssen.
Auch heute noch, hält diese Kälte an. Ging meinen Weg durch diese Welt. Einen schmutzigen, kleinen, verlassenen Pfad. Durch dunkle Wälder und Gassen. Stets mit dem sterbenden Klang meines Herzens, im Ohr. Geführt von einer zerreißenden Melodie, die deine Stimme einst für mich sang. Ich habe viel erlebt. Mutter hat mich nie akzeptiert. Meine Bedenken damals, als ich noch nicht hier war, noch in Wärme und Geborgenheit schlummerte, waren berechtigt. Sie hat mich nicht geliebt. Vom ersten Moment an nicht. Es gab keine Umarmung. Kein Lächeln. Kein "Ich hab' dich lieb". Mit Geschrei und "Ausrastern" bin ich aufgewachsen, zwischen Tod und Ausweglosigkeit. Habe 5 Menschen verloren, in diesem Leben, das ja so endlos "schön" ist. Habe viel ertragen müssen. Und es hat nie jemanden interessiert. Niemand hat mir zugehört. Niemand las die stillen Tränen in meinem blassen Gesicht. Die Schnitte erzählten den leidvollen Weg einer Kindheit, die in Staub und Trümmern erwuchs. In diesem Tal der Tränen, wandle ich noch heute. In genau der gleichen Kälte, wie damals. In der erdrückenden Finsternis, vom ersten Tage. Diese Wanderung bestreite ich schon 18 Jahre. Und mit jedem Tag wird es schlimmer. Mit jedem Tag kälter. Zunehmend wächst die Kälte und die Ausweglosigkeit verschließt sämtliche Türen und Fluchtwege. Nur eine steht in fahlem Licht. Ist angelehnt und ich befürchte, sie könnte zu fallen. Nehme das Messer. Schließe die müden Augen, vor dem Leben. Schneide tief und atme aus. Fühle mich frei. Unendlich frei und leicht. Endlos glücklich. Fühle mich am Leben. Obwohl ich diese Tür fest hinter mir verschlossen habe.


Anmerkung von ZornDerFinsternis:

Aus der Vergangenheit erwäscht ein Strick. Eine Schlinge, die sich dir, wie eine Phyton um den Hals wickelt. Eng. Und immer fester - bis der Atem ausbleibt.

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Kommentare zu diesem Text

VomLebenVerraten (28)
(18.10.09)
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 22.10.09:
Danke:)
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