Eule (dies ist kein Liebesbrief)

Monolog

von  Zeder

Wir warteten einmal an der Straßenecke auf das, was uns entgegenkommen wollte.
Wir wussten noch nicht viel zu dieser Zeit und wir blickten auch in keines unserer Augen wirklich hinein. Ich möchte heute nicht mehr darüber schreiben, wie wir damals waren, denn ich trage das Geheimnis dieser Zusammenkunft in mir, ich trage in mir wie wir uns zum ersten mal begegneten, denn um ehrlich zu sein rief ich lange nach dir und so wie ich leise rief kamst du leise und bliebst leise in mir, bis heute, und es dauert noch an.
Du sitzt nun neben mir in einem warmen Land (wir zogen durch viele Länder), wir zogen durch innere Länder und durch äußere und wir zogen zusammen und auch lange getrennt. Wir trafen uns durch Worte wieder, wir haben eigentlich nie viel getan und alles was geschah, geschah auf Grund einer hölzernen Mauer, also gaben wir irgendwann das auf, was wir Heim nannten. Dich begleiten heute wie damals Tiere wie ein trauriger Blick. Du hattest nie nach ihnen gerufen und du hattest nie nach dem gerufen, was ich Bereicherung nenne, in dir trafen Flüsse zusammen, ich höre sie manchmal. Ich habe mich oft gefragt, was du in mir hören könntest außer dem lauten Pochen eines angstvollen Herzens (natürlich geht der Mensch tiefer).
Dein Kopf lehnt sich jetzt vor Trauer vorn über, er reibt sich an dem, was nur wir sehen können.
Es gibt sowieso Momente, in denen man alleine ist. Du brauchst mir nichts von dem Blut zu sagen, das dort zwischen deinen Fingern rinnt. Es ist so, dass wir alle blutig sind. Wenn ich dich nun Frau sein lassen muss, dann lass mich sitzen und nichts sagen, denn etwas zu sagen, würde die Schönheit brechen, die in deiner Trauer liegt. Lass mich nicht vor dir spielen müssen.
Du hast unser Bild kräftig gemalt, hast warme Farben verwendet und ich war erstaunt, als ich sah, wie du mich gezeichnet hast, ich sah sehr schön aus und viel leichter als ich mich fühle. Wenn ich dich male könnte, dann würde ich dich reich an allem malen. Ich würde ein Orchester um dich stellen und Kisten voll von Gold und Opalen, ich würde dich mittig malen und du würdest keinen Wert in den Dingen sehen, die dich umgeben. Eine Eule säße neben dir und du würdest dann und wann deinen Kopf zu ihr wenden, weil sie etwas im Himmel erfasst hat. Vielleicht hieltest du auch, so wie jetzt, ein sterbendes Kind im Arm.
Die Häuser stehen schräg in diesen Abendstunden. Vielleicht stehen wir auch schräg in der Zeit. Manchmal glaube ich die Straßenecke, an der wir uns das erste Mal trafen, in irgendeinem Ort wieder zu erkennen. Ich erkenne dann ein Geräusch oder eine Farbe von früher wieder und merke dann, dass eigentlich nur die Konstellation anders ist, dass die Welt nur aus Dingen besteht, die sich unterschiedlich zusammenfügen, aber das, was dahinter liegt, das bleibt (uns) gleich.
Es ist vielleicht bald Zeit weiter zu gehen, so wie Zeit immer weiter geht und wir haben uns dazu entschieden Zeit zu sein.


Anmerkung von Zeder:

 Gustave Doré - Les Saltimbanques
eine einseitige betrachtung, die an der oberfläche reibt

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Samjessa (28)
(06.01.10)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Ingmar (07.01.10)
es gibt sätze, von denen weiss man, dass wenn man sie eines tages vergessen sollte, man sie vermissen wird.
dieser gehört dazu: "Dich begleiten heute wie damals Tiere wie ein trauriger Blick."

ingmar
Melancholic. (31)
(09.10.11)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram