Urlaubsgrüße aus der Toskana III

Satire zum Thema Erwartung

von  tueichler

Nach 4 Tagen im pikfeinen „Bella Vista“ Hotel in Montecatini Terme sollte morgen unsere Radtour durch die Toskana beginnen. Seit Anfang dieses Jahres spürten wir den beständigen Drang, auch schon im schönen Rheinhessen am Wochenende Radtouren zu fahren. Das qualifizierte uns stante pede zur Buchung der Toskana-Rundfahrt mit der Schwierigkeit 3 von 4 möglichen. Zur Vorbereitung der Tour sendeten wir per e-Mail unsere Körpermaße an den Veranstalter, damit wir Räder mit den richtigen Rahmendimensionen mieten konnten. Wir sind übrigens dann doch in Rheinhessen nicht mehr dazu gekommen, Radtouren zu unternehmen, wenn man mal von einem Besuch einer etwa 2km entfernten Straußwirtschaft absieht. Wir befanden uns also, kurz gesagt, im Zustand relativer Untrainiertheit.

Am Morgen des letzten Tages im Hotel stattete ich unserem Auto auf dem öffentlichen Parkplatz den obligatorischen Besuch ab, um gegebenenfalls aufgebrochene Fenster und vandalisierte Seitenspiegel notdürftig zu flicken – Gott sei Dank war, wie später auch, alles in Ordnung – da fiel mir ein Transporter mit einem schätzungsweise 20 Meter langen Anhänger voller feuerroter Damenfahrräder auf. Prima dachte ich, da werden wir wohl auf unserer Tour durch die örtliche Radmannschaft der Landfrauen begleitet. Mir schwante nichts Gutes. Auf unseren Reiseunterlagen wurde darum gebeten, am Abend vor dem Start in der Halle zu einer gemeinsamen Vorbesprechung zu erscheinen. Voller Spannung gingen wir zum geplanten Termin, die Mitreisenden waren, wie sich herausstellte, zwei Pärchen aus dem Osten so um die Mitte Fünfzig, sowie zwei weitere Pärchen in unserem Alter. Alle nicht übermäßig sportlich anzusehen, wir waren also guten Mutes, die Tour bravourös zu meistern. Nach kurzer Vorstellung und Erklärung konnten wir dem Reiseleiter, der unser Gepäck transportierte, Fragen stellen. Es wurde so das übliche gefragt. Rastplätze, Reifenpanne, Werkzeug Restaurants etc. Nach und nach wurde mir bewusst, dass es sich bei dem Reiseleiter um keinen andere Person handelte als jene, die ich heute Morgen beim Besuch meines Autos vom Transporter weggehen sah, leider nur von hinten. Da kein anderer etwas fragte, ergriff ich das Wort und wollte wissen, wieso auf dem Hänger nur feuerrote Damenräder gestanden hatten, jedoch die Hälfte der Mitreisenden Herren wären. Daraufhin wurde mir erklärt, es handle sich keineswegs um Damenräder, sondern um Unisexräder. Mein Albtraum wurde wahr. Während durchgestylte Italiener auf Carbonrahmen mit zur Rahmenfarbe passender Kleidung und aerodynamischen, ebenso lackierten Helmen die toskanischen Straßen bevölkern, radeln die Herren unserer Gruppe auf roten, ungefederten Damenrädern hoch sitzend und die gerade Lenkstange fixierend die 900 Höhenmeter vor San Giminiano hoch, begleitet vom ächzenden Geräusch eines sich beim Wiegetritt verwindenden roten Damenrades. La pura masculinitá!

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