Abschied von Gestern

Prosagedicht zum Thema Tod

von  Georg Maria Wilke

Neue Geburt der Stille,
Mühsal einst?, jetzt nur Hülle;
von ostwärts, durch das Mondentor
schreitest du nach Westen,
Sonne stürzt in dunkles Meer -
Mysterium - Geburt, Tod, Tod,
die Türe verschlossen, des Wächters Gebot:
Du Wegbereiter!
Du Freund!,
die Stunde schreckt mit wachem Ruf -
wesentlich wird Wesen
und Glanz zerbricht die Hülle,
Erdenscholle, schwarze Erde bricht
und aus dem Sein wird Licht,
empfangen an der Schwelle,
das Jetzt erlischt -
Anfang wird Ende
(und Ende Anfang),
Klang der Fülle wird ewige Ruh,
Ruf zum anderen Ufer: Du! Du!,
komm Fährmann mit deinen Münzen aus Gold!
Lichterloschenes Seelentor,
leg Krösus Geschmeide auf meine Wunde,
Fährmanns Follis streift Schwarzmond
und fremder Schatten Schar;
lichtbedrängte Wesen,
stygische Weite,
Schwarzmond begleite
das Metrum der nächtlichen Geigen,
Riss der Erde schreit ohne Scham
den aufgeblähten Himmel an.
Purpur Gewand, Segel der Seele,
ruhende Glut - Aufschrei der Stille:
es geschiehe dein Wille!
Kostbarer Odem setzt Welten in Brand,
führe mich friedvoll in gelobtes Land,
läute das Ufer herbei
mit silberner Glocke,
quere die Grenze
und schillernd frohlocke
die düstere Rotte.
Lachender Fährmann winkt dir von Weite,
singt Lieder: frohe; er murmelt dir zu
die alte Ode des Lebens - vergebens
und fremdbewegte Lippe: hab Ruh!
Hohle Becher, letzter Trank,
dann schreite
in endlose Weite. -
Goldbeschwerte Augen,
Seelenlicht erloschen,
bare Münze,
als Lebenslohn,
reiche dem Müden;
kostbare Last,
die Waage weist westwärts
und ohne Hast
gehst du hinüber
mit deinen gesungenen Liedern.


Anmerkung von Georg Maria Wilke:

für all die Freunde, die schon gegangen sind.

Anmerkung:
Follis ist eine römische Münze

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