Schneewittchen verweste nicht

Märchen zum Thema Tod

von  Leitmotivation

Schneewittchen starb an einer Vergiftung. Drei Tage lang war sie tot, ehe der Prinz sie mit seinem Kuss wieder lebendig küsste. Im Märchen heißt es, sie sei in diesen drei Tagen nicht verwest. Das kann ich nicht glauben. Ich bin mir sicher, dass ihr Körper von Totenflecken übersät war. Das Herz pumpte ja das Blut nicht mehr. Durch die Schwerkraft sank es dann hinab und bildete blauviolette Flecken. Die Zwerge müssen es gesehen haben, als sie sie mit Wasser und Wein wuschen. Neun Stunden nach dem Tod waren die Flecken am intensivsten. Man kann sie nicht übersehen haben, auf ihrer schneeweißen Haut.
Und der zarte Leib des armen Mädchens muss so steif gewesen sein. Die Leichenstarre (Rigor mortis) befiel zunächst die Augenlider, dann die Kiefer. Spätestens acht Stunden, nachdem sie in den Apfel biss, war dann ihr ganzer Körper steif wie ein Brett. Nach drei Tagen lässt die Leichenstarre wieder nach. Vielleicht war Schneewittchens Leiche schon wieder ein bisschen gelenkig, als der Prinz ihren Sarg öffnete. Die Starre ließ nach, weil ihre Körperzellen nun zerfielen. Diesen Vorgang nennt man Autolyse.
Fäulnis und Verwesung. Die Fäulnis beginnt im Darm, denn hier ist es warm, weich und feucht und es gibt viele Bakterien. Der rote Apfel war mittendrin. Nach außen lässt sich dieser Fäulnisprozess an der gelbgrünen Verfärbung am rechten Unterbauch erkennen. Wenig später bläht sich der Bauch auf und auf der Haut entstehen die ersten Fäulnisblasen. Gleichzeitig entstehen bei den Verwesungsprozessen Kohlenstoffdioxid, Wasser und Harnstoff. Flüssigkeiten treten aus.
Wie muss das ausgesehen haben in Schneewittchens gläsernem Sarg, als der Prinz ihre blaubleichen Lippen küsste...

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Kommentare zu diesem Text


 blauefrau (01.10.12)
Wie muss es erst gerochen haben.....
Regentrude (53)
(01.10.12)
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 blauefrau meinte dazu am 01.10.12:
Der Text sollte eine Satire, kein Märchen sein.

LG
BF
Regentrude (53) antwortete darauf am 01.10.12:
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AchterZwerg (65)
(01.10.12)
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 AZU20 (01.10.12)
Oh weh. Schneewittchen war die Ausnahme von der Regel.LG
gaby.merci (61)
(01.10.12)
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 Lluviagata (01.10.12)
Sie war scheintot. So!

Aber, diese morbid - melancholisch - medizinische Betrachtungsweise eines Märchens gefällt mir ausnehmend gut!!!

Llu ♥

 blauefrau schrieb daraufhin am 01.10.12:
Ja, und sie bietet sich auch für andere Märchen an!
Adelheid (54)
(01.10.12)
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stimulanzia (48)
(01.10.12)
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 DeadLightDistrict (01.10.12)
Ich mag dein Realismus. Das Gleiche habe ich mal von Dornröschen gedacht. Wie muss die wohl ausgesehen haben, als der Prinz herbeihuschte...

LG
DLD
Wortfetzen (74) äußerte darauf am 02.10.12:
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 DeadLightDistrict ergänzte dazu am 02.10.12:
Ganz und gar nicht. Ich bin selbst dabei eine Geschichte mit kombinierten Gebrüder-Grimm-Märchen zu schreiben, die einen ähnlichen Schreibstil hat wie der des Autor dieses Textes. Darüber weiß der Autor selbst auch Bescheid und weiß dementsprechend, wie mein Kommentar zu verstehen ist.

LG
(Antwort korrigiert am 02.10.2012)
Menschenkind (29)
(02.10.12)
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 Leitmotivation meinte dazu am 02.10.12:
Ich wollte das Märchen nicht in einen neuen Kontext übertragen. Damit hätte ich die grundlegenden Strukturen des Ausgangsmärchens anerkennen müssen. Und egal, wie weit man dabei die Inhalte verzerrt, man bleibt eine Variante.
Das war nicht meine Absicht. Ich wollte gewissermaßen nur kurz an dem Märchen vorübergehen und es zerstören. Und mit Realismus zerstört man immer am besten.
In der Grimm-Version ist die Scheintod-Theorie naheliegend. Hier speit sie das Stück Apfel, das ihr noch im Halse hing, am Ende ja sogar aus. In der mittlerweile vermutlich geläufigeren Disney-Variante wird Schneewittchen jedoch wachgeküsst (nicht beatmet).

Ich finde Deiner Idee aber auch interessant. Schreibs auf!

 modernwoman (05.10.12)
Ich finde, diese Dissertation paßt gut zu dem Thema:
 Scheintod im Märchen

 Dieter_Rotmund (21.11.18)
Nicht schlecht, aber den letzten Satz würde ich weglassen, wie Leser sind ja nicht doof, wir haben unser eigenes Vorstellungsvermögen!

Guten Tag.
Echo (34)
(21.11.18)
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