Der Ritt durch das Gewerkschaftshaus

Erzählung zum Thema Verfolgung

von  Sanchina

Das Gewerkschaftshaus lag auf einer Anhöhe. Unweit davon schlängelte sich die Landstraße vorbei. Um diese Zeit - es war am frühen Nachmittag - hielt hier kein Bus mehr an, denn die Busfahrer hatten ab Mittag frei. Also  ging ich in Bauer Harms Stall und stahl den größten Esel, den er hatte.

Wütend kam der Bauer aus dem Haus. Mit mir auf dem Rücken raste der Esel los, der Bauer hinterher. Bald hatte er uns eingeholt und rannte neben uns her. Ich rief ihm zu: "Mensch, Bauer, du bist aber schnell!" Dabei bot Harms ein Bild zum Lachen. Eins-zwei-eins-zwei schnellten seine kurzen Beinchen vor - er war ein Kleiner,  Untersetzter - und seine Ärmchen  paddelten. Dabei fuchtelte er mit einer angerosteten alten Flinte herum und schrie: "Wenn du nicht sofort herunter kommst, hau ich dir das Ding da um die Ohren!" Ich schrie zurück: "Warum schießt du nicht?" - "Keine  Munition!" hechelte der Bauer. Ich dachte mir: das hält der  Harms nicht lange durch, und galoppierte weiter.

Vor uns lag ein Kornfeld. Ich hielt direkt darauf zu. Der Bauer hatte uns inzwischen überholt und lief voraus, weil er meinte, so seinen Esel schneller einfangen zu können. Da zog ich den Esel scharf nach links und erreichte das Feld. Entlang des Feldrains lief der Bauer auf uns zu. Da wendete ich den Esel, so dass wir wieder vorne waren und der Bauer hinter uns.

Harms versuchte, uns den Weg abzuschneiden, doch auf gerader Strecke ging das nicht. Da ritt ich direkt auf das Gewerkschaftshaus zu. Der Esel machte an der Tür nicht Halt, sondern trampelte hinein. Auf den Fluren standen überall Wein-, Sekt- und Bierflaschen herum. Ich nahm einen kleinen Vorrat mit. Der Esel brach in einen Konferenzraum ein. Entgeistert starrte uns eine recht junge Gewerkschaftssekretärin an, die gerade im Begriff  war, eine Statistik mit Hilfe eines  Zeigestabes zu erläutern. "Was wollt ihr denn  hier?"


Fortsetzung folgt

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