Flieht III

Skizze zum Thema Beziehung

von  blauefrau

Hände aus Luft trugen eine Wolkenschicht, über der noch weitere lagerten. Durch die Löcher in den verschiedenen Schichten konnte sie sie sehen.
  Studentenfutter wollte der Vater kaufen, am Eisstand ein Eis, im Cafe einen Kaffee. Die Affen im Affenhaus fand der Vater possierlich. P o s s i e r l i c h.
  ,, Schau mal, wie der Affe die Banane isst!" ,,Ah!" Langsam schlenderte der Vater den Weg zum Elefantenhaus hoch. Er war aktiv, doch abwesend. Für Greta ergaben seine Worte keinen Sinn, obwohl sie eine Aussage hatten. Der Vater befand sich mit ihr und dem wachsenden Kind im Zoo, lobte dies, zeigte auf das, doch Greta glaubte, dass er sich in einem anderen Film befand, von dessen Anblick er sich nicht lösen konnte.
  Auf dem Sterbebett fing der Vater mehrmals laut an zu schreien. Einmal sprach er von seiner großen Angst vorm Schweineknecht - er schrie sogar- , der ihn von einem Fluss, der Lippe, verjagte und mit der Verfolgung nicht aufhörte. Ein anderes Mal schrie der Vater: ,, Feuer! Feuer! Feurio!" und es war der Mitsoldat in Minsk, der im Sterben lag, nach der Mutter schrie und zurückgelassen wurde, während der Vater und die Mitsoldaten weiterziehen mussten, um nicht die Aufmerksamkeit der Russen auf sich zu lenken. Greta nahm später an, dass auch diese Filme sein tägliches Kopfkino bestimmt hatten, und sie  trauerte um seine Befangenheit in allem.

    Berührte der Vater sie, hatte sie den Eindruck, dass er es gar nicht so meinte. Da, jetzt legte er gerade seine Hand auf ihren Arm, und der Arm wirkte so befremdlich wie eine Plastikzange, die angewiesen ist, etwas zu greifen, es aber nicht fassen kann. Warum? Er bewegte sich wie eine Marionette auf einer Bühne, nicht den Boden berührend; sein Steuerungselement war nicht sein Gehirn, sondern eine fremde Welt, die ihn anleitete, in dieser Situation dieses zu tun, in jener jenes. Doch wo war er? Sie erlebte ihn als jähzornig, er schlug auch, hatte gelegentlich keine Manieren. Er lebte hier, war aber nicht da.

  Es fand sich eine Unke am Himmel, die in einen See greift. Ihr Körper vereinigte sich mit dem Ufer, ihr Riesenkopf ragte über den See. Sie hatte etwas Plumpes, Elementares, auch Bedrohliches an sich. Was sie greifen wollte, war nicht ersichtlich. Ein primitiver Impuls würde sie gleich vorschnellen und ein Unglück begehen lassen, fantasierte Greta. Die Unke war nicht berechenbar unter gängigen Gesichtspunkten.

  Der See hatte sich ausgebreitet; das Ufer bestand aus dunklen zerklüfteten Wolken; die Echse war verschwunden.

  Der Vater trällerte ein paar Töne, räusperte sich dann und sagte: ,,Ich möchte jetzt nach Hause gehen." Greta begleitete ihn zum Ausgang.

  Der Himmel war fast schwarz, der See war weitergerückt und in der Ferne platziert wie eine Milchpfütze. Unerheblich.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (26.10.14)
Greta muss dem Vater sehr nahe sein, um all das wahrnehmen zu können, was sie hier wahrnimmt. Eine Skizze, die mich ihr dahinter ahnen lässt. Konzentriert. Und berührend.

Liebe Grüße
Ira

 blauefrau meinte dazu am 26.10.14:
Danke, dass Du meine Texte wahrnimmst.
Blaue Grüße!
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