Stell dir vor, es ist Krieg, aber die Überflüssigen sind selbst dafür überflüssig - Gipfeltreffen zweier Alt-BRD Geistesriesen in Hannover

Glosse zum Thema Loslassen

von  toltec-head

„Une nuit de Paris réparera tout ça“ („Eine Nacht in Paris wird das alles wieder gut machen“), Napoleon das Leichenfeld von Preußisch Eylau betrachtend.

Im Kreislauf von Leben und Tod hatte in der alten Welt jeder seinen Spaß. Mit dem Tanz sollte es in der herandämmernden neuen, wo lebende Tote tote Lebendige führen, alsbald Schluss sein. Familienwerte, wie seid nett zueinander, nahmen langsam Fahrt und die Arbeit an dieser heimlichen europäischen Hauptstadt des 21. Jahrhunderts auf, wo die Menschen sich besonders sinnfällig in Nettigkeit gegenseitig ersticken und die Tage wie die Nächte niemand ohne eine Droge auskommt. Aber gab es eine Zeit, nämlich die der Alt-BRD, wo man meinte, angesichts von so viel Schrecklichem in der Vergangenheit könnten die Dinge sich nur zum besseren wenden, man müsse nur weiter an der Nettigkeits-Schraube drehen, bis irgendwann die Fantasie an der Macht sei und jedem Mensch ein Künstlerdasein blühe.

"So voll war es das letzte Mal bei Habermas", sagt eine Zuhörerin. "Das muss in den Neunzigern gewesen sein." Ja, in der Stadt an der Leine strömen immer noch die Massen, wenn Geistesriesen der Alt-BRD Gipfeltreffen halten.

Günter Grass über die Gegenwart:

"Heute befinden wir uns - radikal gesagt - im Dritten Weltkrieg. Schleichend vermehren sich die Kriegsschauplätze."

Oskar Negt über die Gegenwart:

"Die Polarisierung von Arm und Reich nimmt zu, es gibt eine wachsende Armee der dauerhaft Überflüssigen."

Grass über die Zukunft:

"Nicht die Rechtsradikalen und nicht der Islam gefährden die Demokratie, sondern der um sich greifende Lobbyismus in Brüssel."

Negt über die Zukunft:

"Sozialpsychologisch befinden wir uns in einem äußerst labilen Zustand, der explosive Formen annehmen kann."

Nein, die beiden Weisen auf dem Podium und ihre Zuhörer haben tatsächlich noch nichts davon gehört, dass man heute einfach Zuhause bleiben, Pornos schauen und Limo trinken kann.

Stattdessen wird nach Weltkrieg, Kapitalismus und Revolution die Frage erörtert, ob Gerhard Schröder als Kanzler empfänglich gewesen sei für die Anregungen von Intellektuellen. Grass: jein, Negt: naja.

Negt erzählt dann noch von seiner Kindheit auf einem Bauernhof mit fünf älteren Schwestern. Was für jeden denkenden Menschen nach einem Alptraum klingt, bezeichnet er als einen absoluten Glücksfall. Er arbeitet an einer Autobiographie, die bald seine 19bändige Gesamtausgabe bei Steidl krönen wird. Wer es bedauert, dass der Brockhaus sein Erscheinen eingestellt hat, kann bei amazon die Werkausgabe von Grass gleich mit bestellen, damit seine Wände pflastern und BRD forever feiern.


Anmerkung von toltec-head:

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/guenter-grass-und-oskar-negt-an-der-universitaet-hannover-a-1000863.html

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Kommentare zu diesem Text

parkfüralteprofs (57)
(07.11.14)
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Graeculus (69) meinte dazu am 07.11.14:
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 toltec-head antwortete darauf am 07.11.14:
Prof und ich gemeint?
Graeculus (69) schrieb daraufhin am 07.11.14:
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9miles (49) äußerte darauf am 07.11.14:
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parkfüralteprofs (57) ergänzte dazu am 07.11.14:
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 Rudolf (07.11.14)
Zum Glück gibt es Claus Weselsky. Vielleicht gibt es noch mehr Leute, die einen Arsch in der Hose haben.
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