dann fällt wohl weihnachten dieses jahr aus

Text

von  kalira

Vor den Türen steht der Weihnachtsmann. Eigentlich steht er nur vor der Haustür, aber wenn man bedenkt, wie viele Türen hinter dieser einen Tür noch stehen, sich noch öffnen werden und öffnen lassen, steht dieser eine Weihnachtsmann genau jetzt vor vielen Türen. Ein brennender Weihnachtsmann. Die Kinder haben sich um ihn versammelt, wie um eine Rauferei auf dem Schulhof. Sie brüllen und jauchzen. Hinter den Türen lauschen die Eltern, lauschen auch die kinderlosen Erwachsenen. Es ist Sommer und im Hof klingt das Rühren eines Löffel in einem Glaskrug. Jemand wird wohl Eistee gemacht haben.

Das gabs schon einmal, flüstert eine Frau ihrem Mann ins Ohr. Dass der Weihnachtsmann brannte, damals in Frankreich. Da haben die Kirchenleute den einfach angezündet. Die kinderlosen Erwachsenen schütteln die Köpfe über die Kinder. Die Eltern drehen die Köpfe in die andere Richtung, sie wollen nicht sehen, ob ihr Kind auch in der Horde steht, also schauen sie durch die offenen Wohnungstüren, schauen durch den Flur, als würden ihre Blicke die Stufen und Ecken nehmen können, schauen hindurch bis zur Haustür, wo der Mann steht und brennt. Niemand möchte etwas sehen, auch wenn sie hinstarren. Besser wird es später sein, nichts gesehen zu haben.

Na und, sagt der Mann, dessen Frau ihm ins Ohr gespuckt hat während sie sprach, vor nicht einmal zwei Wochen brannten in jedem Hausflur die Kinderwägen. Da hats mal wieder einer im Koppe und muss es an irgendwas auslassen.

Vom Eistee würden jetzt alle gern einen Schluck haben. Denn inzwischen sind die Temperaturen so hoch, dass es vor den Türen kaum auszuhalten ist. Ein Sommer mit Rekordwerten. Ein Erwachsener, dessen Kinder um den brennenden Weihnachtsmann tanzen, sagt: Die machen doch aus alles einen Wettkampf, sogar das Wetter soll und muss Rekorde schlagen, sogar immer wieder seinen eigenen Rekord brechen. Ist doch krank!

Als vor der Tür nur noch ein Häufchen Asche liegt und niemand sich darüber so aufregt, wie über die Hundehaufen, liegen die vielen Kinder schon längst in ihren Sommerschlafanzügen in ihren sauber bezogenen Betten, in abgedunkelten, kühlen Zimmern. Dann fällt wohl Weihnachten dieses Jahr aus, lacht ein Mann, der kein Vater ist.

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