Drohnensurren

Text

von  kalira

Hinter oder über uns, ich kann es nicht genau orten, ertönt das Dauerdröhnen der Wachdrohnen, eine automatische Stimme weist uns an, den vorgeschriebenen Abstand zu halten, nicht stehen zu bleiben. Und dann die strengere Zurechtweisung: "Kein Körperkontakt! Gehen sie weiter, erledigen sie die Arbeit zügig!" Das Drohnensurren wird dringlich, droht. Deine zitternden Haare streichst du dir gekonnt zwischen Gummi und Ohren, ich sehe deine schmalen Finger, dein Lächeln sehe ich hinter dem Mundschutz nicht. Die Drohne begleitet uns noch einige Meter, sie surrt und spricht in kurzen Abständen. Die automatisierten Anweisungen sind keinem Geschlecht zuzuordnen. Überhaupt ist seit den Abstandsregeln die Geschlechterfrage weniger oft gestellt worden. Durch die Halle, zwischen den Gestellen und Betten schallen unsere Schritte wieder. Wir atmen, wir gehen, wir legen ultrasterile Einmalbezüge auf die wieder unbelegten Matratzen. Hinter uns rückt der Kontrolltrupp nach. Sie prüfen die Beatmungsgeräte. Für den nächsten Tag werden tausend Neuankömmlinge erwartet. Alles muss geprüft, gereinigt und vorbereitet sein. Diejenigen, die zuvor in diesen Betten lagen, sind bereits am Vortag verabschiedet worden.

In meinen Schuhen schlägt die Angst weitere Nägel von den Fersen arbeitet sie sich zum Mittelfuß durch. Meine Schritte sind langsam, sind schwer, schmerzen. Die Drohne schwirrt irgendwo durch die Halle, ich weiß, sie haben mich im Blick. Dort in ihrem Kontrollraum, auf ihren großen Monitoren sehen sie mich, sehen uns, wie wir gehen, wie wir arbeiten, sahen, dass ich deinen Arm griff, sahen, dass du stärker bist als ich. Auch außerhalb dieser Halle ist ihr Surren zu hören. Sie sehen auf ihren breitaufgestellten Monitoren wie ich esse, wie ich schlafe. Zu jeder Zeit sehen sie mir zu.

Was ich denke, sehen sie noch nicht. Aber auch das wird sich ändern. Sie brauchten nur Monate bis alle, die übrig geblieben waren, für ihr System relevant wurden. Wir wurden einfach umgeschult. Seit sechs Wochen bin ich im System als Sterbebegleiterin registriert.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram