immerschwere Kleider

Text

von  kalira

Bindest dein langes Haar hoch über deinem Kopf zusammen und wartest. Die Finger sind Zigarettenhalter, und ich sehe nur Zitteräste im Wind und den ewig eisblauen Himmel. Du sagst etwas über das Vermissen, während die eine Hand versucht das Zittern der anderen zu verbergen, und du mit einem Lidschluss bemüht bist, die Tränen in deinem linken Auge wegzudrücken. Ich sehe das, wie ich den Winter unter Wasser sehe, oder die Einsamkeit verlassener Menschen, die sich stapelt und stapelt, immer um diejenigen herum, die verlassen worden sind oder nur daran glauben.

Deine Zitterzigarette wirkt auf mich wie ein Stromverstärker. Um dich herum vibrieren Luft und Nichtluft, ich wage mich nicht näher an dich heran. Du versprühst Eile, Verwirrung, kein sicherer Stand in deiner Nähe, kein ruhiges Atmen möglich. Nur Hektik und Antrieb, egal wohin und wofür und vielleicht sogar, egal weshalb und wozu. Ich atme zittrige Luft und mag das Gefühl in meinem Hals nicht, nicht in meiner Brust und auch sonst mag ich diese Stromlinien nicht, die ich von dir ausgehend, wahrnehme. Wäre der Raum um uns herum eine Eisfläche, wärest du das Zentrum eines möglichen Einbrechens. Du bist der Mittelpunkt der rissigen Landschaft. Um dich herum höre ich es knirschen und knacken, summen und surren.

Ich vermisse die angemessene Distanz. Den sicheren Stand, die tragende Wasseroberfläche und den Winter darunter. Ich vermisse die Stille.

So viel Leben sehe ich vor mir, sage aber nichts, weil du es leben wirst. Ich sehe Kinder, die ausschwärmen die Welt zu entdecken, meinen Bauch, der nicht wieder in seine vertraute Form findet, mein Sitzen am Tisch und das dazugehörige Schauen aus dem Fenster. Immerschwere Säckchen nähe ich den Kindern in die Kleider. Bodenständig zu bleiben, meine Nähe zu spüren. Immerschwer sind diese kleinen Leben, die glitzern und leuchten und durch den Sommer in den Herbst, selbst im Winter noch glänzen. Sie werden nicht abheben.

Keine Stromnetze, sage ich. Keine in der Luft, keine auf Erden und erst recht nicht unter Wasser. Die Erde bebt und die Luft vibriert auch ohne, dass wir etwas dazutun. Ich mühe mich, so viel wie möglich, nicht wahrzunehmen. Kopf unter Wasser, die Wellen langsam umspülen lassen, die Ohren der gedämpften Ruhe hingeben, im Wasser dem Druck nachgeben.

Deinen Zitterfingern weiche ich aus, deinem Blick kann und möchte ich nicht standhalten. Du sagst, dass du es nicht einmal aussprechen kannst. Also weiß ich nur das, was ich mir denke und von dir ausgehend empfange, den Strom, die Unruhe, das wirre Sein zwischen Grenzen, zwischen den Geschlechtern.

Ich vermisse die ruhige Distanz, während du mir sagst, dass du mich vermisst.

Und während ich lächelnd den Abstand wiederherzustellen versucht bin, sage ich dir nicht, dass die Geschlechter keinen Unterschied machen. Ich sage dir nicht, dass ich weiß, was du nicht aussprechen kannst.

Ich sehe meine Kinder um ihre geschlechtslose Mutter tanzen, befühle die kleinen Gewichte in ihren Kleidern und wie sie mich beschweren. Ich atme stromlose Luft und beschaue den Winter unter jeder Wasseroberfläche. Dich schaue ich ein letztes Mal an.

Abstand.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (05.03.18)
Ich verstehe mal wieder nicht, um was es geht ...

 idioma meinte dazu am 05.03.18:
Armer schwarzer Kater
bzw. armer Dieter :
Es is nu mal kein klipp und klarer Zeitungsbericht !
Bitte feinere Antennen aktivieren und auch
zwischen den Zeilen lesen und nachfühlen.......
idi

 Livia (05.03.18)
Interessant. Und wirr. Aber das scheint die Situation zu spiegeln.
matwildast (37)
(07.03.18)
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 kalira antwortete darauf am 11.03.18:
danke für diese darstellung deines lesens und wahrnehmens!
oft stehen in meinen texten ein DU und ein Ich sich gegenüber und ebenso oft, sind dieses DU und ICH ein und dieselbe person. für mich ist es ein sprachspiel. denn ICH und Du können und sollen auch ICH und DU sein, so, wie der leser, die leserin es im text für sich erfahren. ein textverständnis ist für mich so individuell wie das textverfassen. besonders deswegen freue ich mich, wenn jemand einen kommentar hinterlässt ;)
matwildast (37) schrieb daraufhin am 11.03.18:
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