Mit Menschen

Text zum Thema Existenz

von  Xenia

Dieser Text ist Teil der Serie  Dieses scheiß Leben (ist so schön)
Ich bin mit 16 aus dem Heim abgehauen und habe auf der Straße gelebt. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. Das, was ich von dieser Zeit nämlich am meisten gelernt habe, ist dass Menschen Menschen brauchen und wie wichtig Mitgefühl, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft ist.

Ich bin kein Gutmensch. Kein Mensch ist nur gut und seine Schattenseiten zu verleugnen, fände ich persönlich unehrlich und eine Beschneidung meiner Selbst. Aber für mich ist Reichtum, wenn ich genug habe, um es teilen zu können, ohne dass ich mich damit selbst vernachlässigen muss, ohne dass es mir weh tut. Je weniger man selbst braucht an Besitz, um  sich gut zu fühlen, umso reicher ist man laut dieser Definition, da man ja mehr hat, dass man teilen kann.

Als ich selbst noch obdachlos war,  hat mir ein Bekannter seinen zweiten Schlafsack geschenkt, weil ich nicht wusste, wohin mit mir, wo ich schlafen soll. Das werde ich niemals vergessen. Es war ein scheißkalter Winter. Ich glaube, es war 2012, ich habe es nicht so mit Daten und Namen, dafür erinnere ich mich gut an Gesichter. Damals kannte ich ihn noch nicht gut, wir hatten uns nur manchmal unterhalten, wenn ich bei ihm vorbei kam, weil ich nicht wusste, wohin. Manchmal ging ich auch bei ihm vorbei, wenn ich Hunger hatte. Er hatte nämlich so ein äußerst praktisches Abkommen mit der Besitzerin der Pommesbude gegenüber. Er sollte seinen Schnorrplatz sauber hinterlassen und bekäme dafür von ihr regelmäßig eine Portion Pommes geschenkt. Damals hatte ich meinen alten Hund Kobalt noch (Der Vater meines heutigen Hunde, Ophelius). Der Typ, dessen Name ich mir einfach nicht merken kann, hat Kobalt abgöttisch geliebt. Er hat selbst draußen geschlafen und besaß so gut wie nichts, doch er hat das, was er hatte, bereitwillig mit mir geteilt.

Heute lade ich ihn gerne auf was zu Essen ein oder schenke ihm Zigaretten oder Kleingeld, wenn ich ihn sehe. Ich mag es, ihn lächeln zu sehen. Er gehört nicht zu den Menschen, die freiwillig auf der Straße leben. Er hat ein Drogenproblem und versucht seit Jahren erfolglos, clean zu werden. Immer wieder erzählt er mir von seinem Erfolgen und kurz darauf von seinen Rückschlägen diesbezüglich. Bis vor ein paar Tagen konnte er bei einem Kumpel unterkommen. Gestern habe ich ihn getroffen und er erzählte mir, dass er dort wieder rausgeworfen worden sei. Leider kann ich ihn nicht bei mir aufnehmen, da ich selbst bei jemandem wohne, der mich dort aus Kulanz übernachten lässt. Ich weiß, dass er völlig am Arsch ist und ich ihn nicht retten kann. Aber wenn er lächelt, dann sieht er für einen Moment so hoffnungsvoll aus, als könnte er sich noch in diesem Moment selbst retten.

In meinem Leben habe ich auf der Straße geschlafen und in 5-Sterne-Hotels. Meiner Meinung nach machen Besitz, Karriere, Aussehen einen nicht zu einem wertvolleren  Menschen. Der Charakter und die Bereitschaft zur Menschlichkeit werden allein durch die Lebenserfahrung, durch das Verhalten, das Denken und die Emotionalität bestimmt. Das sind alles Dinge, die man nicht kaufen kann.

Und deswegen ist nicht der reich, der viel Besitz hat, sondern der, der gelernt hat, zu teilen.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (29.10.18)
Das ist zwar ganz "interessant", aber noch nur ein Rohtext, ein Entwurf, ein ausführliches Exposé o.ä. Eine Geschichte wir daraus, wenn Du die Protagonistin für uns nachfühlbar etwas erleben läßt, es unmittelbar schilderst, ohne Wertung etc.
Aber das weisst Du ja längst selbst.
Dies nur als Anregung.
Guten Morgen.

 Xenia meinte dazu am 29.10.18:
Danke

 EkkehartMittelberg (29.10.18)
Für mich ist dies eine sinnvolle Geschichte mit einer klaren Aussage, die auf Erlebnissen beruht.

 Xenia antwortete darauf am 29.10.18:
Ja, weil ich sie überarbeitet habe, nachdem Dörte mir diesen Tipp gegeben hat.

 TassoTuwas (29.10.18)
Es ist wohl so, dass ein Interesse der Menschen für einander hauptsächlich in der gleichen gesellschaftlichen Ebene stattfindet.
Wobei es in der "upper clas" mehr von misstrauischem Status- Vergleichsdenken geprägt ist.
Verständnis und Wirgefühl geht wohl eher am unteren Ende!
LG TT

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 29.10.18:
Das wir uns in denen wiedererkennen, die uns - irgendwie - gleichen, ist normal. Man denke nur an das Verhältnis Eltern-Kinder. Menschlichkeit erwächst jedoch nur, wenn wir das als Anlass für ein grundsätzliches Verhalten nehmen. Ansonsten bleiben wir in Standesdünkeln kleben.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 29.10.18:
Dass es Emotionen wie Mitgefühl nur in unteren Gesellschaftsschichten gìbt, ist eine romantische Verklärung, hat aber eine gewisse Tradition, dessen Herkunft mr schleierhaft ist.

 TassoTuwas ergänzte dazu am 29.10.18:
Nur, hab ich nicht gesagt!
Beobachte mal einen Straßenmusikanten und zähle die elegant gekleideten Damen und Herren, die ohne ihn eines Blickes zu würdigen an ihn vorbei eilen, und dann sie dir die Leute an die ihm was in den Hut schmeißen. Du wirst staunen!

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 29.10.18:
Und was soll mir das sagen?
Die elegant gekleideten Damen und Herren eilen vielleicht zu einem Konzert, bei dem ihnen eine weitaus bessere Qualität geboten wird? Sie schmeissen zwar nichts in Hüte, kaufen aber Eintrittskarten.

 TassoTuwas meinte dazu am 29.10.18:
Der Unterschied ist, du konstruierst ein Vielleicht und ignorierst Fakten. Aber du bestätigst, man bleibt unter sich!

 TrekanBelluvitsh (29.10.18)
(...) habe auf der Straße gelebt. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. Das, was ich von dieser Zeit nämlich am meisten gelernt habe, ist dass Menschen Menschen brauchen und wie wichtig Mitgefühl, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft ist.
So wie das da steht, wirkt es in meinen Augen ziemlich idealisierend. Ich nehme an, dass dieses Fazit, das hier am Anfang steht, der Grund für den Text ist. Ich finde, du solltest den (mehr als berechtigten) Hinweis auf die Bedeutung von Mitgefühl, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft sprachlich anders "verpacken" (gilt auch für den letzten Satz) - wenn du das noch einmal überarbeiten/neuschreiben möchtest.

Was dazwischen steht, ist in meinen Augen überzeugend..

 Xenia meinte dazu am 29.10.18:
Das verstehe ich nicht ganz. Inwiefern wirkt es auf dich idealisierend?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 29.10.18:
Das sehe ich wie TB; der Text sagt klar aus, dass Menschen in prekären sozialen Verhältnssen bessere Menschen sind. Das ist ídealisíerend.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 29.10.18:
Solidarität ist allgemein zwischen Menschen des gleichen sozialen Standes leichter zu erzeugen. Multimillonäre zeigen gegenüber anderen Multimillionären ja auch schnell Solidarität ob der hohen Steuern und dem furchtbaren Neid, dem sie ausgesetzt sind Das liegt an der vergleichbaren Erlebniswelt - ganz gleich ob diese echt oder eingebildet ist.

Seit der Erfindung des Nationalstaates, gibt es diese Solidarität auch zwischen Menschen, die gegenseitig anerkennen, dass sie die gleiche Nationalität haben.

Allerdings macht es objektiv betrachtet einen Unterschied, ob das Leid, das Solidarität hervorruft, aufgrund von existenziellen Fragen entstanden ist, oder weil man nur einen VW statt einem Daimler als Dienstwagen bekommen hat.



Was ich mit idealisierend meine: Du gibst dem Leser ein bestimmtes Deutungsmuster vor. Dabeu denke ich, dass das Erzählte für sich allein spricht. Wenn du deine persönlichen Rückschlüsse daraus mitteilen möchtest, würde ich sie fazitgleich an das Ende der Geschichte stellen. (Auch wenn du mit "Das, was ich von dieser Zeit nämlich am meisten gelernt habe" auf" auf deine Schlussfolgerung hingewiesen hast.)

 Xenia meinte dazu am 29.10.18:
Was ist das denn für ein Quatsch, Dörte. Dort steht nirgends, dass ich der Meinung bin, dass finanziell schlechter gestellte Menschen bessere Menschen sind. Dort steht, dass Geld nicht dazu führt, dass man ein sozialerer Mensch ist, sondern allein die Fähigkeit zu Mitgefühl und dazu, teilen zu können.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 14.12.18:
Als wenn hier Lyrich = Autor, dann muss ich mich ausklinken, sorry.
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