Ben

Erzählung

von  minze

An seinem ersten Tag kommen wir versetzt an, daher ist eine direkte Begrüßung nicht so wirklich zu realisieren, ich komme in den Gruppenraum, in dem er ist, mit ein, zwei Anliegen, eile in einen Termin und später sehe ich ihn im Pausenzimmer, da sagt er eher mit seinem Blick Hallo, ich schaue ihn an, begrüße ihn auch und nehme sein Dasein auf, sein Körper ist da, voll.

Es würde was verändern, zuzugeben, dass es auch die erarbeitete Statur sein muss, seine Körperbeherrschung, die so sichtbar wird. Es würde verändern, wie ich von mir denke. An diesem Tag ist es vorsichtig Frühling, noch nicht vollkommen, ein Tag, der kälter ist, als es das warme Wochenende versprochen hat. Diesen Montag kriechen die Temperaturen zurück, verschreckt, leider. Ich meine, er hat ein weißes T-Shirt angehabt, seine nackten Arme sind sehr hell, es geht auch ein bläuchlicher Schimmer durch, auch über sein Gesicht. Ich glaube, da sind feine Adern, aber auch sein Gesicht wirkt auf mich trainiert. Das Shirt durchscheinend.

Hängen bleibt sein Blick, für mich dringender Blick, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wieso dringend. Vielleicht so, dass er mich auf dem Schirm hat und es wesentlich bleibt, mir zuzunicken und einen guten Start hinzulegen. Mit mir auch. Aber nicht fragend, nicht unsicher, nicht müssen wir noch was besprechen oder ich habe eine Frage.


Zwei Dinge vermischen sich, das ist angenehm: dass er so alt ist, wie mein Bruder es wäre, wenn er nicht gestorben wäre als Kind. Ich kann mir dann mehr vorstellen, was das bedeutet. Die Vorstellung ist eher ein Gefühl, eine gefühlte Vorstellung, ein Raum, der sich ergibt. Und das zweite, dass er jung ist und gleichzeitig eindringlich und aufrichtig. Als wisse er, was er braucht. Als sich festigende Ahnung. Das springt auf mich über, es greift mich richtig.


Eigentlich will ich sagen, es ist selten und schön, dass er mich so anspricht, verbunden ist mit dem Gefühl zu meinem kleinen Bruder hin.

Dass es sich nicht ausschließt; es spannt den Bogen zu einer halbjüngeren Generation, es schließt uns ein in verschiedene Möglichkeiten, in denen wir zueinander schauen können. Nur sechs Monate, nur solange wird er hier arbeiten.




Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (29.04.23, 10:29)
Hach, wie dieser leicht sentimentale Judith-Herrmann-Stil, das machste gerne, was?

Ist noch eher fragmentarisch, eine komplette Erzählung, die halbwegs rund ist, ist das nicht, aber das weisste ja sicher selbst.

 minze meinte dazu am 29.04.23 um 18:59:
Hatte auch gedacht, daraus könnte noch mehr kommen, aber mir gefällt es auch als kurzen Eindruck und Gedankenausgang.

 Redux (29.04.23, 13:33)
Deine Beobachtung und deine Gedankengänge sind wirklich genau und gehen tief und suchen und finden Möglichkeiten und Phantasien.
Sehr gut geschrieben, Minze...

 minze antwortete darauf am 29.04.23 um 19:00:
Danke, sie schweifen halt an bestimmten Momenten, ob sie hier tief gehen, hm - in jedem Fall ein schönes Feedback!
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram