Galets

Erzählung

von  minze

Natürlich weiß ich schon zwei Tage, dass sie sich getrennt haben, aber es kommt jetzt anders, als ich am Meer sitze und dich im Krankenhaus weiß, immer noch auf Verdacht auf eine Anomalität im Hirn, es könnte auch sein, dass nur du das denkst. Sobald der Notarzt telefonisch verbunden ist und du erklären willst, was ist, wirfst du die Symptome aus, die dazu passen, oder andere vielleicht, du hechelst, findest kaum Worte, vor Unruhe kommst du kaum zu Atem. Ich werde später denken, dass du in einem Zustand bist, der größte Not ausruft, dass die Panik etwas ist, was einfach das Kommando übernimmt und bestimmt, wie der Körper dann die Sprache mitspricht, sie wird einfach mitgezogen, ist wie ein Handschuh und die Panik agiert darin, als würde ihr der Körper gehören, warum auch immer du der Panik das Ruder überlässt.



Mich übernimmt die stumme Angst, die Angst, die mir erst Übelkeit, dann Gewissheiten bringt. Die Gewissheiten betreffen meine Liebe und Gebundenheit an dich, alles Unbedingte, das mir so klar ist, viel klarer als das Leben, was darum herum entstanden ist. Ich sehe jeden Fleck Natur als Statist, jede Minute Zeit als Statist, jede Regung zwischen Wind und Meer, als Statisten vom Stoff, aus dem wir sind. Eine weitere Gewissheit ist aber auch, dass ich auch zum Leben übergehen werde, wenn es ohne dich sein muss, dass alles, was entstanden ist, weiter sein wird, dass ich mich festhalte an meinem Duft, am Duft der Kinder und was noch ist. Ich sehe die Konzentrate aus Gedanken etwas sinnlos aneinandergereiht und versuche vielleicht auch wegen dem nicht zusammen passen dieser Dinge an die Trennung von Nele und Ralf zu denken. Daran, dass sie oder er bewusst da durchgehen und ich nun einfach abwarte.



Im ersten Moment, als ich davon erfahren hatte, dachte ich, er hat etwas gemerkt von mir. Ich bin mir sicher, er hat nicht, aber ich erwische mich bei dem Gedanken, dass etwas sichtbar wurde oder fühlbar werden wird, auf jeden Fall, dass da eine Öffnung passiert, dass der Verschluss nicht mehr dicht ist und ich wundere mich über mein Gefühl darüber. Ich gehe am Strand entlang, über die riesen Steine, ich balanciere etwas aus. Es ist ein leichtes Gefühl, eins halb im Schweben, die Gereiztheit an meinen Fingerspitzen ist auch als Kribbeln in meinen Waden, gerade im Gehen. Ich kann mit den Gedanken umgehen, dass es alles in mir ist, manchmal ist es vielleicht auch eine billige Ausrede, dass es keine Wirkung hat – dass, wenn es nur mein Kino ist, gar keine Rolle spielt, solange ich es bei mir lasse.



Dass ich an meine persönliche Betroffenheit denke, auch jetzt, auch jetzt abwartend, ist okay. Ich kann die Aufregung als kein tiefliegendes Gefühl wegsortieren, es flattert halt. Als wir vorhin im Krankenhaus waren, wolltest du erneut, dass ich dabei bleibe, wie schon einmal vor zwei Jahren in einer ähnlichen Situation. Dieses Mal bist du aber in einem vertrauensvollen Austausch mit dem Arzt. Er scheint sich nicht sehr zu sorgen, ist aber ernsthaft. Ich gebe dir einen Kuss. Als ich gehe und von da an mit dir verbunden bin, unumstößlich, fühle ich mich mit einem deutlichen Ruck als Ehefrau, wie ein Banner, wie ein Schutz. Später bestätigst du mir einen ganz ähnlichen Eindruck.



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