DER LYRISCHE STIFT
Es war einmal
ein weißes Blatt
Da kam ein Stift
lief auf und ab
lief jede Zeile
rechts entlang
Worauf er wieder
links begann
Dann ging er fort
vom Papierort
Und als er verschwand
stand auf dem Blatt
so allerhand
was man sonst nicht
bei Texten fand :
lyrische Geschwafel
verquastes Geseiere
manierierte Diktion
hochgestochenes
Geleiere
emotionales Blablabla
seelisches Gequake
psychisches Gelabre
blöde
Impressionen
dumme
Illusionen
fade
Langweiligkeiten
ekelhafter
Gemütsschleim
alles stupid und nackt
exhibitionistisch bloßgelegt
doch lyrisch verpackt
Im Grunde
lauter Schmarren
für Träumer
und für Narren
und für alle
welche haben
etwas an der Waffel
oder ihrem Sparren
Anthroposophen
Esoteriker
Religiöse
Selbstsucher
Selbstfinder
Sebstermächtiger
Entrückte
Verrückte
Beglückte
Zerdrückte
Als es zur Korrektur kam
und man ihn in die Hand nahm
da packte ihn die Eigenscham
ob diesem ganzen kruden Mist
und die Fremdscham über den
Schreiberling * _ in dessen
Schreibknecht er gewesen ist
Und er litt so sehr
und er litt noch mehr
als er all das sah
was als Text stand da
von ihm selbst geschrieben
unter Druck und Zwang
Zeile für Zeile lang
Da begann er Seppuku,
Harakiri oder so
und brach sich selbst
die Spitze
als ob ihm das was nütze
denn man spitzte ihn
wieder zu im Nu ...
… sobald er sich
das Leben nahm
immer und immer wieder
So daß er
schließlich nur noch
ein kleiner Stummel war
und stellte keinen
richtigen Bleistift dar
So wurde er gestutzt
erniedrigt, ausgenutzt
Schließlich
erlöste ihn sein Herr
und schmiß ihn
in den Papierkorb
dem Nirwana
der Bleistiftstummel
und der Papier- Krüppel
als Restmüll
von Schreibblockaden
und Schreibversuchen
die mißraten
Der Schreiber*_in ling
das Lyrikschwein
griff sich einen neuen Stift
und ging so mit ihm um
wie ers mit dem Alten tat:
machtergreifend
übergriffig
machtmißbrauchend
toxisch
unwoke
und gemein
und bildete sich ein
empathisch und sozial
und liberal
woke und respektvoll
zu sein
und gerecht
und schrieb
mit dem neuen Stift
weiterhin:
grottenschlecht