Noblesse oblige ... oder so ähnlich

Erörterung zum Thema Gier

von  eiskimo

Nein, nicht wie bei den Russen! Wer es bei uns zu was gebracht hat, der kauft sich nicht etwa einen Fußballverein oder den Heli farblich passend zur Sechzig-Meter-Yacht – nein, hierzulande bescheidet man sich mit kleinen Accessoires wie einer dritten oder vierten Rolex  oder der jüngsten Highend-Leica, also unscheinbaren Attributen, die man auch diskret mal weglegen kann, wenn die Situation es erfordert.

Wenn sie mal etwas dicker auftragen müssen, vermögen unsere Oligarchen aber auch etwas vorlegen: zum Beispiel ihre Fünfzehn-Tausend-Euro Radrennmaschine, der Carbonrahmen maßgeschneidert, sie erwähnen ganz nebenbei ihren neuen Personal Coach oder haben eine Anekdote parat vom Flugstress … im familiär so begehrten Privatjet. Ihre Parkettsicherheit zeigt sich aber noch mehr im Smalltalk über Wein, dessen angesagte Cuvées sie lässig herunter zitieren können; ja, klar: die so aufregenden jungen Winzer der Côte Chalonnaise, unforgettable..!  Wann die Austern aus Arcachon dazu am fleischigsten schmecken, und wie der orignal in Holz gereifte Epoisses sein sublimstes Aroma herausschwitzt , ja, mit so einer welterfahrenen Finesse pflegt man inzwischen bei uns im Land echt zu punkten. Tut man echt!

Ey – erwachsene Menschen, oft mit Hochschulabschluss, diversen Sprachkenntnissen und reichlich Auslandserfahrung, die starren tatsächlich auf sakrosankte Fitness-Parameter, auf die Zahl ihrer Solo-Flugstunden, und so, als ob es nicht wichtigere Themen gäbe, verlieren sie sich tatsächlich im Geschwätz über die Maserung von japanischem Edel-Rindfleisch, sie streiten über Anbauorte und Vornamen ihrer gratinierten Trüffelkartoffeln oder brüsten sich mit Tricks zum Anflämmen einer kalorienreduzierten Crème Brûlée.

Sind Reise-Stress,  Body-Talk und Restaurant-Blabla etwa der Ausweis von Elite? Zeigt man so, dass man „oben“ ist? 

Oder sind die angeblich Besten in unserem Lande lediglich Blender, die für ein Linsengericht (drei Sterne natürlich, und aus Biogemüse)  ihre politische Verantwortung verkauft haben?

Denn: Die Besten im Lande müssten sich einen Dreck scheren um ihre Luxussport- und Reise-Wehwehchen, schon gar nicht um Sterne-Küche und Edel-Gesöff. Ja, die Besten – wollen sie denn diese Note für sich beanspruchen – müssten weit darüber stehen. Weit darüber, das heißt: Sie müssten von sich selber absehen, ihre private Image-Politur zurückstellen und zum Beispiel sich begeistern für Forschung und Lehre; ihr Herz müsste schlagen für mehr Bildung, für mehr kulturellen Austausch und echte politische Teilhabe.  Und ihr vornehmstes Anliegen müsste sein, dem Lande zu helfen, seine Probleme zu lösen. 

Klar, dafür gibt es keine Sterne. Es wäre alles einfache Kost, alles oft schwer verdaulich, und was man mühsam zusammenbruzzelt,  schmeckt nicht allen. Aber dieser Einsatz – früher nannte man das selbstlos- der hätte eine tolle Vorbild-Wirkung. Es würde die Mitarbeit in Vereinen, Schulen, Parteien oder Kirchen enorm aufwerten. Da gibt es nämlich viele (nicht ganz so prominente), die fühlen sich gerade total allein gelassen.  



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Kommentare zu diesem Text


 Beislschmidt (11.08.23, 17:15)
Wie gut  dass ich nichts von dem besitze, Eskimo. Und vieles kenne ich noch nicht mal. Aber es ist satirisch zusammengestellt und komponiert. Eine richtig gute Glosse.
Beislgrüße

 eiskimo meinte dazu am 11.08.23 um 17:57:
Danke.
 Den aufgezählten Tinneff braucht man auch nicht wirklich.
Cu
Eiskimo

 lugarex (12.08.23, 13:44)
Ohne Lesebrille rechnete ich mich schon zu den "Noblen"!

Ich habe gelesen Rollator, "dritten usw. Rolex". Ich habe neulich auch schon zwei - eben, Rollators... :D

Sonntagsgruss luga
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