Strafsache Faulheit

Skizze zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Regina

Die Uraltbilder zur angeblichen Problemlösung werden von der Politik jetzt wieder hervorgekramt: Das Portrait vom Empfänger von Sozialleistungen als Couchpotato, faul herumsitzend und arbeitsunwillig und der potentielle Asylbewerber, der sich von Leistungskürzungen demotivieren lässt, ins Land zu kommen. Beide Typen kommen so selten vor, dass sich der Kampf gegen sie nicht lohnt und keine Lösungen hervorbringt. Eher schon sind manche Vermittlungsresistente auf dem abgabenfreien dritten Arbeitsmarkt unterwegs oder gar auf dem vierten, der kriminelle Elemente aufweist. Der gewinnorientierte Arbeitgeber leidet auch nicht an Dummheit und weiß, dass z.B. eine fünfkindrige Alleinerziehende schon genügend Arbeit verrichtet und deswegen für eine Anstellung nicht infrage kommt, anders als der künstlich geschaffene zweite Arbeitsmarkt, der aus jedweder Person noch Arbeitsleistung herausquetscht, zum Schaden in diesem Fall der Kinder.

In der Tat gibt es eine Grauzone der Einkommenshöhe, bei der Vergünstigungen wie zuzahlungsfreie Medikamente, verbilligte Rundfunk- oder Kindergartengebühren usw. wegfallen, so dass der Arbeitnehmer, der nunmehr alles wieder aus der eigenen Tasche finanzieren muss, schlechter wegkommt als zuvor. Das liegt aber an nicht existenzsichernden Löhnen und nicht an zu hohen Sozialleistungen. Die Behörden berechnen nämlich den Bedarf der Hilfsempfänger, anders als der profitorientierte Arbeitgeber, der versucht, Arbeit wie eine Ware möglichst kostengünstig einzukaufen. Aber eigentlich läge die Verpflichtung zur Sorge für seine Mitarbeiter doch beim Fimeninhaber. Dieses reflektierend, kommt die Idee von der Werkswohnung wieder auf, ebenso wie der Betriebskindergarten und die betriebliche Altersversorgung, was es alles schon einmal gegeben hat, mit dem Nebeneffekt kurze Arbeitswege, ökologisch sinnvoll. Firmen müssen sich zu einer in gegenseitiger Verantwortung stehenden Community entwickeln, die dann auch dem Staat die Entscheidung abnimmt, wen sie, evtl. auch als Sozialfall, aufnimmt, auch Migranten, die dann in den Betrieb integriert werden und dort die Sprache erlernen, so, wie sie es ja wünschen, am Anfang mit der Unterstützung eines Dolmetschers, der zu Zeiten der Arbeitsmigration eine Stelle in der Firma einnahm. Die auf diese Weise anfallenden Kosten könnten über Steuererleichterungen ausbalanciert werden, wenn etwa eine Firma viele Kinder mitfinanziert.


Ist es zu idealistisch, neue gesellschaftliche Konzepte zu entwickeln, anstatt der Politik in ihrem illusionären Treiben zuzusehen, weit abgehoben von der Lebensrealität und einer sinnvollen Veränderung? Einen zweiten Arbeitsmarkt aufzublähen, staatlich teurer finanziert als die blanke Unterstützung, wird sich wie in der Vergangenheit nicht als Fortschritt erweisen, ebensowenig wie Bezahlkarten für Asylbewerber auf deren Landsleute demotivierend wirken werden, nach Europa zu kommen. Die somalische Autorin Waris Dirie erwähnt ja in ihrem auf Deutsch 2018 herausgegebenem Buch „Wüstenblume“ 1) den Traum eines jeden Afrikaners, nach Europa zu immigrieren, ganz sicherlich nicht, um sich auf einer mehr oder minder mageren staatlichen Unterstützung auszuruhen, sondern mit der Hoffnung Aufstieg. Daneben versuchen auch Russen und Ukrainer, den Zuständen in ihren Ländern in Richtung Europa zu entkommen, während Lateinamerika Einwanderungsdruck auf die USA ausübt, alles die Folgen einer langen historische Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen ist.



  1. „Wüstenblume“ von Waris Dirie , Deutsch Knaur 2018, ISBN 978-3-426-77978-1,

    Original: „Desert flower“, englisch 2011, gleichnamiger Film von 2009 by Hermann/Hörmann







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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (18.11.23, 11:03)
PolitikerInnen denken leider i.d.R. nur sehr kurzfristig mit dem Schielen auf den Erhalt seines/ihres Mandats und wollen schnelle Lösungen, die dann meistens nicht funktionieren.
Informativer Text mit Wertungen. LG Uwe

 Regina meinte dazu am 18.11.23 um 11:17:
Danke für deinen Kommentar. Ich meine, dass eine gesellschaftliche Neuorientierung, ohne Rückkehr in die DDR, mindestens genauso wichtig ist wie immer neue Geräte zur Rettng des Planeten.

 FrankReich antwortete darauf am 18.11.23 um 13:21:
In der BRD herrscht seit eh und je eine Diktatur der Wirtschaft, mit den freien Unternehmern, die Politik und Gesellschaft ihren Willen aufzwingen, weil sie die am Kacken halten, insofern kann von einer sozialen Marktwirtschaft überhaupt keine Rede sein, besonders nicht nach der Privatisierung staatlicher Institutionen.
Das vorherrschende Problem lag schon immer in der politischen Begründung, dass der Markt sich selbst regelt, was absoluter Quatsch ist, denn wenn der Staat nicht eingreift, wird die Marktwirtschaft immer freier, Darwin lässt schon grüßen, denn das Recht des Stärkeren setzt sich so auch in einer Demokratie durch und untergräbt sie damit nur.
Die vernünftigste Stellungnahme zur sozialen Marktwirtschaft habe ich noch in folgendem Artikel gefunden:

https://gegenblende.dgb.de/artikel/++co++b1fa5370-f009-11e9-b91b-52540088cada

Eine marktwirtschaftliche Sozialisierung könnte auch die Demokratie wieder mehr stärken und evtl. sogar zur Entkriminalisierung Deutschlands beitragen. 🤔

Ciao, Frank

 Regina schrieb daraufhin am 18.11.23 um 14:46:
Danke auch für diese Stellungnahme und den Verweis auf den Artikel.

 AchterZwerg (18.11.23, 12:33)
Das Problem ist, liebe Regina:
Um umdenken zu können, muss man zuvor übehaupt nachgedacht haben ... :P

 Regina äußerte darauf am 18.11.23 um 14:46:
Und dafür haben die Minister keine Zeit. Danke auch.

 EkkehartMittelberg (18.11.23, 17:29)
Hallo Gina,

dein kontroverser Text belebt die Diskussion. Mir fehlen zu diesem Thema leider die Sachkenntnisse, um beurteilen zu können, ob sie fundiert genug sind.

LG
Ekki

 Regina ergänzte dazu am 18.11.23 um 19:40:
Trotzdem Danke für die Empfehlung.

 harzgebirgler (19.12.23, 14:12)
die neiddebatte ist in vollem gange
und nimmt wie stets die schwachen in die zange.

grüße vom harzer
Taina (39)
(19.12.23, 14:31)
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