Dr. Love

Erzählung

von  minze

Es stört mich nicht, zu warten. Ich muss im Wartezimmer keine andere Tätigkeit tun. Meinethalben kann sich das dehnen. Auch weil ich davon ausgehe, ihn zu sehen. Manchmal wackelt ein anderer Arzt durch die Praxis. Ich bin nicht erfahren mit Hausärzten, meine Mutter, die früher oft war, hat schon die zwei, drei ansässigen in der Praxis unseres Ortes durchgewechselt. Ich weiß nicht, ob das üblich ist, oder ob man eigentlich einen hat, der einen gut kennt. Davon würde ich ausgehen, trotzdem. Bei ihr waren die Zustände besondere. Ich will nur ihn, der mich gut kennt, das reicht ganz. Noch immer bin ich kaum krank, dass ich weder den Vorzug, ihn zu sehen, ausbauen, noch den Geschmack daran voll entwickeln kann.


Da ich keine Stimme habe, habe ich einen Zettel geschrieben, auf dem steht, dass ich keine Stimme habe. Wahrscheinlich als Folge einer Grippe. Fragen, die sich daraus ergeben, habe ich nicht notiert, ich will erst einmal die Schlüsse ganz ihm überlassen.


Als ich rein gehe und auch nichts sage, spricht er für mich, er schaut mich an, sagt, häufig sei der Stimmverlust ein noch unangenehmeres Symptom als Schmerz oder andere Beschwerden – so, als sei man nicht mehr sich selbst. Es ist voll gut, das nicht selbst sagen zu müssen. Weil ich noch flüstern kann, frage ich ihn, ob es wieder kommt, sage, dass es wirklich eine große Umstellung sei. Er weiter, ja – in ihrer beruflichen Rolle, zu Hause mit den Kindern, die ganzen Anweisungen, die sie sonst geben – das ist ein gewisser Kontrollverlust-

Als ich hinein gehe, die Arzthelferin schickt mich hinein, zieht er seine Maske an, nur weils anziehen ist, finde ichs bemerkenswert, ich seh seine Finger sie überstreifen.



Die kommende Zeit wirken die Medikamente. Ich fühle mich älter, aber nicht schlecht, welche zu nehmen. Auch schlafe ich schon am frühen Abend und manchmal geht es auch am Nachmittag. Ich denke an wenig, an die Kinder, die Arbeit und das Schlafen. Es entlastet mich, reduziert zu sein. Es gibt immer wieder Anlass, in die Apotheke zu gehen, zuletzt wegen einer Mittelohrentzündung des Kindes.


Dann sind wir gesund und haben ungeschützen Sex zu Hause. Obwohl ich die Pille danach nehme, habe ich wieder den Kontrollverlust. Dieses Jahr ist neu und unaufgeräumt. Es geht auf im Abchecken, der Verhinderung schlimmerer Krankheitszustände. Jetzt ist es anders; ich bin in meinen Körper versenkt, in voller Unsicherheit. Ich meine zu spüren, dass sich was krampft, dass sich was löst. Dann allerdings ist es die Verdauung, jedes Mal spüre ich die Bewegung der Verdauung. Einerseits enttäuschend, dass ich es fehldeute, dass an Stelle des Anfangs der Regeblutung ganz andere körperliche Vorgänge spürbar werden. Andererseits ist es erhellend, eine Chance, wahrnzunehmen.


Die Tests sind eindeutig, aber ich bleibe unten trocken. Ich zögere, als ich nahe meiner Arbeitsstelle erneut in eine Apotheke gehe. Der Ort ist nicht so klein, dass man jeden kennt, der in der Apotheke ist. Auch in meinem Heimatort habe ich noch nie ein bekanntes Gesicht in der Apotheke gesehen. Ich kaufe den dritten Schwangerschaftstest und will, dass es der letzte ist. Als ich raus gehe, klappern Störche und manche Leute schauen hin und fotografieren, es sind die klassischen Touristen für diesen Ort. Sie lenken mich ab.


Es kommt am nächsten Tag erster rosa Schleim und ich weiß, das ist es. Ich werde eine ganze Weile versuchen, zu verstehen, was mir beim Warten so Angst gemacht hat. Die Gründe sind alle da, erst sortiert und dann übereinander hergefallen.




Als sich alles aus mir löst und der Bauch sich gewöhnlich anfühlt, leg ich mich schlafen und träume von Dr. Love. Weiß nicht, warum ich wieder da bin, er scheint auch kein konkretes Anliegen zu sehen, fragt aber irgendwann ganz klar, ob er nochmal das entfernte Muttermal an der Brust sehen kann.



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Kommentare zu diesem Text


 Mondscheinsonate (24.02.24, 22:12)
Jöh! Ein minze-Text! 😍
Ich könnte wie immer mäkeln, aber ICH WILL NICHT, weil ich mich freue! 
(Schreib Periode, klingt für die Männer ein bisserl sachlicher :D)

 minze meinte dazu am 24.02.24 um 22:28:
Cool, dass du dich freust :)

Ich wollte das mit der Blutung ggf noch intensiver fassen, eines aber sicher nicht: sachlich oder irgendwelchen Männern angenehm verpackt.

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 24.02.24 um 22:48:
Dann laufens aber davon. Das Wort ist das Böse! 😂

 minze schrieb daraufhin am 25.02.24 um 12:27:
auch gut (:

 Dieter_Rotmund (25.02.24, 12:58)
Ich muss zunächst fragen: Ist das autobio oder warst du ungebunden-frei literarisch tätig und hast unter den gegebenen handwerklichen Möglichkeiten die passende-beste genommen?
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