Zur inneren Mitte

Satire

von  Oreste

Seit ich
von meiner stressigen Tätigkeit
als Besserverdiener
befreit wurde, mich meine Lebensab-
schnittsgefährtin im Guten
hat sitzen lassen und munter,
wie sie war, dann meinen
Tapetenwechsel dringend nötig hatte,


seit ich Tür an Tür
mit Talismann, dem alten
Stasi-Offizier, wohne, mein Hausschamane
im Nebenberuf Spiel-
höllenbetreiber ist und
ich einen dieser handgefertigten
Staubfänger
über meinem Bett hängen habe,


seit Feng Shui
mein Leibgericht vom Chinesen-um-
die-Ecke ist,
Kombucha im Tetrapak
zu meiner Grundausstattung, eine
bewusste Ernährung
zu meinen besten Absichten und


seit Nordic Walking zu meinen
spannenderen Hobbys gehört, ich täglich
fünf bis sieben
ayurvedische Kräuterbäder kippe,
etwa zwei, dreimal pro Woche Urlaub in
Pilates mache,


seit ich An|thro|po|so|phie
richtig aussprechen und das Alphabet
auf Wunsch
auch rückwärts steppen kann,
mir den allmorgendlichen
Blick in den Spiegel einfach schön-
klopfe,


seit ich mir im Schneidersitz
Splatterfilme
wie ‚Nackt unter Kannibalen’ gebe, mein
Liebesbarometer im
Sparabonnement beziehe,
ich Wochenendseminare mit dem Titel: ‚Bedürfnis-
befriedigung – ein Klaus,
wer Böses dabei denkt!’ besuche,


seit Alexander Kopitkow
als lebensgroßer Pappaufsteller
unter meiner Schlafzimmerdecke hängt,
er als mein Fernsehastrologe gleichzeitig
mein Schuldnerberater ist und mir als ebenjener
– mit ernster Miene und perfekt blondiert –
einmal sagte, ich schiene
der Sonne
aus dem Arsch*,


seit ich so ein klein
wenig darauf achte, stets
mit einem Lächeln im
Anschlag
durchs Leben zu gehen, ich im letzten
noch gar nicht auf der Welt war,
ja, seit ich Tod und Teufel
in Bewegung setze,
meine Seele baumeln zu lassen,
baumelt meine Seele

am Strick.


Anmerkung von Oreste:

2013 [überarbeitet]

*Originalzitat: „Die Sonne scheint mir aus dem Arsch.“
aus dem Film From Dusk Till Dawn

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Kommentare zu diesem Text


 tulpenrot (19.01.19)
"Du kannst auch wirklich nichts auslassen! Unersättlich! War schon immer so". Deine Mutter. *smile*
Und nun bist du angekommen. Aber richtig.

Kommentar geändert am 19.01.2019 um 08:22 Uhr
Trainee (71) meinte dazu am 19.01.19:
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 tulpenrot antwortete darauf am 19.01.19:
Das hat ihm seine Mutter schon beigebracht. Die hat ihn "gut" gernährt
Ich wüsste hingegen gerne, warum er auf dem Foto immer noch so misstrauisch um die Ecke guckt. Und lächelt. Trotz Seele am Strick. Das muss der familiäre Galgenhumor sein.

 Oreste schrieb daraufhin am 19.01.19:
Ich schiele auf dem linken Auge und mein Mund ist halbseitig gelähmt - will sagen ich kann gar nicht anders gucken. :P

O.

 tulpenrot äußerte darauf am 19.01.19:
Meine mecklenburgische Mutter erzählte mal eine Anekdote:

Eine besorgte Nachbarin entdeckt eines Tages, dass der kleine Nachbarjunge schielt. „Sollte Ihre Frau nicht mal mit ihm zum Arzt gehen? Das kann doch nicht so bleiben“, rät sie dem Vater. Der ist entrüstet. „Dat is mien Söhn, de sall so kieken“, antwortet er.

Also darfst du auch!

 Oreste ergänzte dazu am 19.01.19:

 tulpenrot meinte dazu am 08.02.19:
Nachträglich zur Klärung, weil da Missverständnisse auftauchten: Ich bin NICHT Orestes Mutter!
Paulila (55) meinte dazu am 08.02.19:
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 tulpenrot meinte dazu am 08.02.19:
Ohhh ...

 Oreste meinte dazu am 09.02.19:
Man munkelt, ich sei zur Adoption freigegeben. Wenn also Interesse besteht ...

(-;
Jo-W. (83)
(19.01.19)
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 Oreste meinte dazu am 19.01.19:
Du meinst dich selbst! :D

Lieben Dank dir, Jo.
O.
Trainee (71)
(19.01.19)
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 Oreste meinte dazu am 19.01.19:
Dein Lob nehme ich gerne entgegen, Trainee, deine Solidarität mit gemischten Gefühlen. Danke dir! (;

Grüß dich
O.

 juttavon (19.01.19)
Das tut mal gut! So ein Text löst doch schon etwas den mörderischen Strick um die Seele...
Frei nach dem Gedanken aus dem Buddhismus für Buddhisten: Triffst du Buddha, töte ihn!

HG Jutta

 Oreste meinte dazu am 19.01.19:
Was schmiert sich ein Inder aufs Brot? Buddha. *schäm

Danke dir, Jutta!
O.
Stelzie (55)
(19.01.19)
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 Oreste meinte dazu am 19.01.19:
Du findest es schön, dass ich am Rande der Verzweiflung stehe, seit ich meine innere Mitte fand? Das lässt tief blicken, Kerstin.

Gruß
O.
Agneta (62)
(19.01.19)
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 Oreste meinte dazu am 21.01.19:
Danke dir, Agneta!

Gruß
O.

 eiskimo (30.01.19)
Da geht wirklich einer durchs Fegefeuer, um geläutert (?) aufzuerstehen. Klasse finde ich die realsatirischen Wegmarken, ein bisschen Déjà-Vu.....
Eiskimo

 Oreste meinte dazu am 31.01.19:
Du warst selbst mal so drauf? (;

Dank & Gruß
O.

 eiskimo meinte dazu am 31.01.19:
Ein bisschen - einen Stasi-Offizier habe ich nicht in petto, aber dafür einen französischen Doppelagenten. Und Besserverdiener waren wir doch alle, in dem Sinne, dass wir etwas Besseres verdient haben.
vG
eiskimo

 Oreste meinte dazu am 01.02.19:
:-)
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