kleinkriegen

Geschichte zum Thema Macht

von  redangel

nein,das geschah mir nicht das erstemal. bei dir könnte es mir auch heute noch passieren.obwohl wir uns schon so lange kennen, oder gerade deswegen. dann wollen wir doch ersteinmal andere saiten aufziehen, sagte ich zu dir. als ich dich nach längerer zeit wieder einmal hervorholte, als du vor mir lagst. aber selbst das half nicht besonders. es half mir auch nicht weiter. denn sobald ich mit dir in berührung komme, vergreifen sich meine finger an dir. sobald ich dich im arm liegen habe, versteift sich meine haltung. ich stehe dann kerzengerade. ich stehe stramm, wie damals. ich nehme automatisch diese bestimmte haltung an. weil ich es muß, weil ich es einfach muß. du weißt doch, es geht nicht anders.genau so haben wir es einstudiert. und anders können wir nicht, dürfen wir auch nicht spielen. weißt du noch, als wir beide immer zu diesem lehrer gingen? wie streng der mit mir war. ich wollte von anfang an nicht. wollte mit dir nicht. schon der gedanke daran, ich wäre nie von alleine auf die idee gekommen, ausgerechnet dich zu wählen. ich hätte dich nie angefasst, aber sie haben mich gezwungen dazu mich mit dir zu befassen. ich mußte es einmal am tag tun. und jede woche einmal zu ihm. diesem grapscher, der mich immer angefasst hat. aber das konnte ich niemandem erzählen. ich habe mich so geschämt. dafür. für ihn geschämt. er hat gesagt, er müßte meine haltung korrigieren. ich mußte stramm stehen vor ihm. die beine leicht auseinandergedrückt. dich im arm. die andere hand nicht frei. er konnte mich anfassen. er hatte freie hände. ich mußte es wieder und wieder tun. vor seinen augen. wenn es mir nicht gelang, wiederholen stundenlang.mir ist eine einzelne stunde damals endlos lange vorgekommen. ich habe jede einzelne sekunde mitgezählt. gewartet, bis die kirchenuhr schlug. endlich schlug und ich erlöst war.damals. ich habe mir oft gewünscht an ort und stelle im boden zu versinken. wenn er mich so angesehen hat. strafend, arrogant, überheblich. er hat meistens behauptet, es läge alles an mir. meine finger wären nicht geschickt genug. ich würde mich vergreifen an dir. weil ich nicht gewillt wäre ernsthaft zu arbeiten. nicht genügend geübt hätte. ich mit dir. was ja auch stimmte, damals. ehrlichgesagt, du warst mir lästig. ich habe dich nie geliebt. sie haben mich gezwungen, mich mit dir zu beschäftigen. du weißt garnicht, wie schwer es war, dich anzufassen. dich an mich zu drücken. befassen, dich täglich einmal. und das obwohl ich dich nicht mochte. trotzdem, du und ich täglich einmal. dinge die ich mit dir einzustudieren hatte. weißt du noch wie schwer das war für uns beide. manchmal habe ich dich so gehasst, dass ich große lust hatte, dich zu zerstören. dafür gehasst, daß du es warst. dort mit mir alleine im zimmer. ich hätte dich fallenlassen können. aber das habe ich nicht gewagt, denn du warst damals schon wertvoll, haben sie behauptet. den bogen überspannt, einmal nur habe ich es absichtlich getan. das haben sie gleich gemerkt. ich habe meine strafe dafür erhalten. hausarrest war noch das wenigste. ich konnte zwei tage nicht mehr richtig sitzen. oder war es doch nur einer? ich weiß es nicht mehr. wenn ich mich recht erinnere, mußte ich den kochlöffel selber holen. ich sehe heute noch kochlöffel mit einem gewissen respekt an. aber ich habe nicht geheult damals, nicht gebettelt und nicht geschrieen. das hat sie meistens noch angestachelt. aber ich hatte meinen stolz. ich habe ihn auch heute noch. und es gelingt mir heute noch nicht immer, den richtigen ton zu treffen. nicht nur bei dir. es wäre nicht das erstemal, daß mich etwas durcheinander bringt. nicht nur du, auch anderes außer dir. meinst du, ich kann deswegen nicht problemlos die tonangebende sein? weil sie mich damals kleingekriegt haben? weil sie mich eingesprerrt haben in mein zimmer. gezwungenermaßen mit dir. weil es nicht möglich war, zu mogeln. sie haben mich dabei belauscht. ich mußte spielen mit dir. dir entsprechende töne entlocken, entsprechend dem, was vorgeschrieben war in diesem stück. vom blatt spielen, immer wieder die gleiche partitur. aber ich habe dich nie perfekt beherrschen können, obwohl ich soviel geübt habe. manchmal wollte ich es, vollkommen sein, die meisterin. aber du warst mir nicht gerade behilflich dabei. stocksteif, aalglatt, irgendwie kalt. meine finger haben sich vergriffen an dir. eingeschnitten hast du mir ins fleisch. du hast es mir sehr schwer gemacht dich zu mögen, wenigstens ein bißchen zu mögen. irgendwann habe ich dann absichtlich nur noch falsch gespielt. ich wollte, daß das alles endlich ein ende hat. es ist mir auch gelungen, denn ich hatte sie, ausdauer. sie haben die geduld verloren. mein bruder fasste dich an und er hatte viel mehr talent. ich mußte nicht mehr mit dir spielen. man könnte meinen, ich habe alles vergeigt. dabei haben sie nur sehr lange gebraucht zu begreifen, dass du das richtige intstrument nicht warst, nicht für mich. dass ich keine virtuosin auf dir werden konnte, weil ich dich nicht geliebt habe. waren sie letztendlich schuld daran, daß ich heute noch ungern die erste geige spiele? oder dass ich nun ganz genau weiß, worin ich nie vollkommenheit erlangen werde. nicht die meisterin, nicht meisterhaft sein kann?
ich glaube sie sind schuld daran, daß macht-aus-üben mich auch heute nicht so einfach kleinkriegen kann.

(c) redangel

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Kommentare zu diesem Text

stephchaos (27)
(18.02.07)
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 redangel meinte dazu am 18.02.07:
das ist genau das, was ich zu verstehen geben wollte, aber nicht direkt sagen. die näheren umstände, warum ich es geschrieben habe.
ein rollenspiel. manchmal scheitert man an dem was man sich fest
vornimmt. ich bin ein zweideutiges wesen. ich bin auch sehr eindeutig. aber beides gleichzeitig. manche verstehen nur einen teil von mir. andere beides oder noch mehr. du liest aufmerksam. also hast zwischen den zeilen erlesen. einesteils spreche ich von meiner alten geige. aber das war nur der vorwand es deutlich machen zu können. ein beispiel wie man früher macht auf mich ausgeübt hat. damit man mich heute versteht. wenn ich nun die partitur spielen soll, und der lehrer oder schüler zwingt mich in diese rolle in die eine, oder in die andere. dann weiß ich wieder wie schwer es mir gefallen ist. oder warum. es mir so schwerfällt. macht auszuüben. die machtrolle hat einen sehr erotischen beigeschmack. denn macht ausüben ist erotisch. erotik ist macht
ist anziehungskraft. wer die macht hat ist der starke.
oder fühlt sich so. aber nur weil es einen schwachen gibt. heute weiß ich, warum ich stark sein kann und schwach bin.
oder umgekehrt. dass ein kräftemessen nur dann spass macht. solange jeder seine rolle spielt. ich bin keine lehrerin. ich übe einen sehr nüchternen beruf im it-umfeld aus. ich berate. manchmal zwinge ich mich anderen auf. meine meinung. weil ich recht habe. und dann denke ich wieder an das kleinkriegen von damals. und an das falschspielen. das absichtliche. und an die liebe. die fehlt. so schnell kiregt mich heute keiner mehr. klein.
ich kann ganz schön kämpfen.
liebe grüsse dir a.
stephchaos (27) antwortete darauf am 18.02.07:
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