[Sendung Mai.]

Text zum Thema Abendstimmung

von  Elén

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Kein,

kein Clown tritt herein, kei’ Katz fängt die Maus, dem Hut fehlt die Schnur, der Pfaff singt in Dur, Kafka ist tot, der Ölpreis hoch, der Präsident lebt und wer ihn will haben, muss Schläge ertragen. Die Katz sitzt im Haus, die Maus geht aus, mit 'ner Maus, die heißt Klaus, der Hund treibts zu bunt, macht Schaden im Flur und, muss Schläge ertragen. Der Hut fällt zu Boden, der Clown kratzt am Hoden, der Ölpreis sinkt, der Präsident stinkt, der Pfaff geht heim und nun fehlt dem Reim der passende Reim, wie gemein. - Weshalb mein Leben sich manchmal so unleidlich anstellt, liebe Rosa, mein Zuckerkind? Ich sage dir, es hält sich nicht an Gesetzmäßigkeiten, die das Leben eines Durchschnittsbürgers bedienen sollten; einen Menschen nach Zufall und Laune, aber doch denkbar: abwechseln!, oder sich zumindest mal da mal dort ein wenig auswechseln, zumindest; ein bisschen bunt, ein bisschen bunt halt nur, - also, all jene kleinen Inspirationen des Alltags im inflationären Sozialsumpf eines Landes, diese kleinen murmeligen Zugeständnisse, trivial, ganz trivial, Rosa, die sich um einen mittelmäßig intelligenten Bürger mit sauberem Strafregisterauszug und sauberen Händen annehmen dürften, wären durchaus angebracht, und auch auf mich! nur klitzeklein manchmal anwendbar, verstehst du. Weil man schließlich auch nur ein Mensch ist und Recht hat auf ein bisschen Buntheit. Ich verstehe das nicht, sage ich zu Rosa, ich verstehe das wirklich nicht. Hör zu Rosa, sage ich zu Rosa, während ich in meiner Handtasche nach einem Kugelschreiber krame, um endlich diesen verdammten Einkommensteuernachweis auszufüllen, -

Sonntag. Früher Nachmittag, Mai. Alles ein wenig fad, öd, trist. Das Wetter nervig, mal Sonne, dann wieder Wolken, SonneWolken, so ekelhaft unbeständig. Nie weiß man woran man ist. Ich stehe also am Fenster und guck in den Innenhof hinunter. Ein paar Kinder, die auf Fahrrädern sitzen, mit ihren kleinen Hintern hin und her wetzen auf diesen lilliputanischen Kinderfahrradsätteln, sich auf das Lenkrad stemmen mit ihren dreckigen Wurstfingerchen, mit Helmen auf dem Kopf wackeln, verschiedenfarbigen Socken an den Füssen. Das stört mich. Ich denke mir immer wieder, sage ich zu Rosa, also, Rosa, das kann nicht sein, ich mag das nicht leiden. Verschiedenfarbige Socken. Kinder sind schließlich auch Menschen und haben das Recht und. –

Datum?
Mai, 5. Mai 08
Danke.

Die Sonne stöbert also ein wenig mal da mal dort ins Gehänge der Wolken und, ich bin noch unschlüssig, ob ich zum Badesee soll oder ob ich nicht zum Badesee soll. Also erstmal in die Küche, brüh mir Kaffee auf und setz mich vors Fernsehgerät, obwohl ich weiß, dass im Fernsehen zu Zeit nichts aus dem Bildschirm kommen wird, als das  niederösterreichische Kellerverlies in dem ein Perverser seine Tochter jahrelang vergewaltigt, im Zuge dessen siebenmal geschwängert hat und nun, da sie aufgetaucht ist, sich die Medien drüberstürzen wie unterzuckerte Raubtiere und, die arme zu Schaden gekommene pressetechnisch ausschlachten wie eine fette Opferkuh. Rosa, sage ich zu Rosa, sei mal ehrlich, kannst du dieses Dreckszeug noch sehen? Wirklich, man übersättigt sich sogar schon am Entsetzlichen. Das Entsetzliche müsste dienlichst noch eine Bedeutung entsetzlicher sein, um die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu können. Nach zwei Tagen ist das Verbrechen schal und nicht der gefinkeltste Journalist oder Reporter oder Aussenstellenkorrespondent Mister Multiskandal vor dem Rathaus im Wintermantel underdressed oder overdresses, mit flauschigem Mikrphon, bei verrückt gewordenem Wind aus dem Osten, kann was dran machen. Die Perversion, die Korruption, die Kriminellen, die Russenmafia, amerikanische Bootcamps, drogensüchtige Superstars, Steuerhinterziehungssdramen ohne Epilog und Prolog dafür mit einer fetten Sonderkommission, die ermittelt bis ans Ende der Nacht, alles langweilt und alles geht einem schon genauso auf die Nerven wie die elendbunte zusammen genudelte Flugpost im Briefkasten oder der türkische Honig auf Jahrmärkten und, dass man diese gottverfluchten Formulare ständig in Block- und Druckbuchstaben auszufüllen hat, ist genauso eine widerliche Stumpfsinnigkeit über diesem bürokratischpathologischen Verwaltungsapparat, der ja nur gut zu unserem Land passt, Rosa, man bricht sich dabei die Finger, sage ich zu Rosa und Rosa wirft sechs Würfelzucker in ihren Hagebuttentee und schiebt sich mit einem Blinzeln die Kontaktlinse im Aug zurecht;

also hör zu, meine liebe,

ich schlurf also beturnschuht, frisiert, sonnengecremet, mit meiner Decke am Arm, mit meinen Kippen, mit meinem netten Gesicht, - auf dem zugegen sich die nächste Sonnenfinsternis einnistet, weil erneut ein Wolkenzug, - den niedergetrampelten Pfad entlang, pferch meinen Brustkorb, schieb mich auf Zehenspitzen durchs begattete Gebüsch und such mir ein frisches Plätzchen, an dem in dreitausend Jahren Sonne, so es ihr gefälligst in die Umlaufbahn passt, vielleicht irgendwann mal ein bisschen von ihrem Licht zwischen diesen Himmelsritzen herabrieseln lassen wird. Für mich, meine Herren, für mich. Ich bin ja ein geduldiger Mensch, Rosa, ich bin daran gewohnt Bescheidenheit zu leben, und es macht mir nichts aus, wirklich, -

leg mich also ans Wasser, dichtdicht. Weiße Vögel, ich glaub Schwäne, plantschen, und Enten und da und dort ein paar fette Leute mit schwarz behaarten Bäuchen, schlohweiße Omas mit zur Frisur abgestimmten, schlohweißen Oberarmen und Waden, Muskeltonus auf Null; muslimische Kopftücher auf Köpfen, die sich kaum bewegen, die Köpfe, Muttis mit ihren Augen an den Kindern und so weiter. Alles bequem.

Und, ich lieg so und hör dem Gras beim wachsen zu, dieses robuste Gras, das keine Zeit kennt, nur die Natur und sich nun fett säuft am noch feuchten Frühlingsboden und, ich schau in den Himmel oder wasweissich und da kam mir in den Sinn, dass es denkbar wäre, dass ich durchaus möglicherweise vergessen haben könnte, als ich mir Kaffe aufkochte, den Herd auszumachen, sage ich zu Rosa, das ist doch wirklich ekelhaft,

Rosa, hörst du mir zu! 






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Anmerkung von Elén:

Muh.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (05.05.08)
Ich assoziierte die Rosa aus Kafkas Erzählung Ein Landarzt... obwohl du das bestimmt nicht meinst.
Ein sehr gekonnter Beginn - und Schluss! Viel Realität im Frühlingsrauschen! Der Titel voll Witz, leicht sarkastisch.

 Elén meinte dazu am 05.05.08:
Danke :)
Jack (33)
(05.05.08)
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 Elén antwortete darauf am 05.05.08:
ja, Österreich ist international schliesslich bekannt als: Land der Berge. Nur die Eisbrocken, sind die letzten Jahre etwas größer geworden..

dank :)
Elias† (63)
(05.05.08)
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 Elén schrieb daraufhin am 05.05.08:
Ja, Jelinek hat eine gute Ruhe zur Betrachung der Perversion. Vorbildlich. Nur, - sie schreibt ein wenig zu laut. - Ich weiss es nicht, ich habe zu vielen Dingen nur ganz wenig Emotion bzw. geregelte Emotion. Was nicht hiesse, dass ich nicht wüsste in welche Gefühlskathegoprie das Einzelne einzuordnen wäre. - Es gibt Automatismen, die 'bei all dem' in Kraft treten und ich bin: ausschliesslich Beobachtung. Rational. Ich muss nur noch lernen, ganz leise zu schreiben.

liebe Grüsse Dir! :)
Elias† (63) äußerte darauf am 06.05.08:
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traktor (25) ergänzte dazu am 06.05.08:
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Elias† (63) meinte dazu am 07.05.08:
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traktor (25) meinte dazu am 07.05.08:
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Elias† (63) meinte dazu am 08.05.08:
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 warmeseele01 (21.05.08)
Herrlich! Bleibt doch immer diese paralysierte Rosa, in der Welt. Lg, der tom.

Ps: Man könnte abschließend, bei allem Respekt, dazu anmerken, das wohl der Mensch an sich und das damit verbundene Geschöpf, doch nie mehr wie nur ein Wunschbild bleibt und ist. Denn wann wurde man dem? Denn jemals gerecht.
(Kommentar korrigiert am 21.05.2008)
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