romeo

Kurzgeschichte zum Thema Nachdenkliches

von  redangel

als ich das letztesmal in verona war, da bin ich deine wege gegangen. vorbei an deinem haus, dort, wo die tafeln noch an dich erinnern.
vorbei an den wänden, wo sich die liebenden verewigt haben. diese vielen zettelchen, mit kaugummi fest geklebt. kaugummi, der vorher noch von ihnen durchgekaut worden war.

romeo, ich habe deine anwesenheit nicht spüren können. dich nicht gespürt, nicht in den gassen und auch nicht unter diesem balkon, ihrem balkon.
ein dicker mann ist aus diesem haus nach draußen auf genau den balkon getreten.
er hat von oben auf sie herabgesehen, so von oben herab herunter. da habe ich lachen müssen, bei der vorstellung, es hätte auch umgekehr sein können. er hat herabgesehen auf deine julia ganz ohne die vielen schönen worte. stumm auf sie herabgesehen ohne die nachtigall zu erwähnen.
sie hat ein penetrant wehmütiges lächeln.
sie ist eiskalt und hart, denn sie haben sie in blech gegossen, die veroneser.
und unten im garten aufgestellt zur schau.
den linken busen, sie haben ihn ihr total abgewetzt,
wegen der liebe, wegen dem glück, das sie für sich haben wollen,
die heutigen liebenden.
wie amputiert sieht das aus mit flachen linken brust. es macht mich sehr traurig.
aber es soll angeblich glück bringen, sich daran zu wetzen.
in der liebe glück.
sag, wer glaubt denn noch an sowas, romeo, sag?
wer kann das noch glauben, wenn er euere traurige geschichte kennt.

bevor ich mich umgedreht habe um zu gehen, denn ich konnte es irgendwann
nicht mehr ertragen, diesen ort. da habe ich ihn noch im augenwinkel gesehen. diesen alten mann mit der schiebermütze
und dem karrierten jacket. ich habe gesehen, wie der alte mann es getan hat.
ihren linken blechbusen berührt, das hat mich zusammenzucken lassen.
sie hat nicht zucken können, aber für mich war das hart.
er hat sich dabei fotografieren lassen, dieser mann, lachend fotografieren.
als ob die liebe etwas zum lachen wäre, romeo.
du weißt, dass es das nicht ist, nicht die einfachste sache der welt.
wahrscheinlich war alles nur ganz großes theater, behaupten manche.
sie sagen euer dramatisches ende wurde nur erfunden. damit es spektakulärer wird,
damit man das märchen von der ewigen liebe noch jahrhunderte später erzählen kann.
romeo, du hast dich vielleicht garnicht versehentlich vergiftet und sie hat es auch nicht getan, sich nicht getötet, wegen dir. auch aus liebe nicht.
alles war kein großer irrtum.
vielleicht habt ihr in wirklichkeit gemeinsam das getan, was wir heute mit der liebe machen. mehr oder weniger dramatisch mit der liebe tun, jeden tag.
romeo, wir töten sie jeden tag ein kleines bißchen in uns ab,
wir vergiften sie uns, ganz langsam gemeinsam, und das, während wir zusammen sind.
wir töten die lebendige liebe unseres lebens, während wir es miteinander leben,
das leben.
wir tun der liebe das an, bewußt oder auch nicht.
wir tun es solange, bis sie nicht mehr lebendig ist in uns.
dann leben wir einfach lieblos weiter, aber weiter gemeinsam,
auch ohne diese liebe.
weißt du, wovon ich rede, romeo?
es geht nie gut aus mit der liebe.
auch mit der großen nicht.
wo immer du jetzt auch bist, wo immer du sein magst.
so weißt du es doch längst.

es geht nie gut.

aus.

(c) redangel

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